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Kantone wollen Kinder gratis versichern

07.09.2004


07.09.2004, Bern - Kinder bis 18 Jahre sollen auf Kosten von erwachsenen Prämienzahlern gratis krankenversichert werden.

Mit diesem und weiteren Vorschlägen wollen die Gesundheitsdirektoren der Kantone Schwung in die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) bringen. Bereits ab einem Kind sollte die Gesamtbelastung für die Familien sinken. Frei werdende Mittel aus der Prämienverbilligung für Kinder sollen zu einkommensschwachen Erwachsenen umgeleitet werden.

Die Vorschläge des Bundesrates zur Prämienverbilligung und zur Spitalfinanzierung bezeichnen die Gesundheitsdirektoren als untauglich. Denn jetzt müssten Probleme gelöst und nicht bloss Kosten verschoben werden. Durch das Einfrieren der Pflegetarife drohten den Kantonen Mehrkosten von einer Milliarde Franken. (SDA/ len)

KOMMENTAR: Die Kantone erheben sich Von René Lenzin, Bern Seit der Abstimmung über das Steuerpaket strotzen die Kantone vor Selbstvertrauen. Ihr Sieg an der Urne hat in Erinnerung gerufen, dass Bundesbern nicht beliebig gegen die Interessen der Kantone politisieren kann. Im Bundeshaus wurde die Lektion begriffen, wie das zweite Entlastungspaket zeigt: Was immer den Kantonen allzu sehr missfallen könnte, wird tunlichst vermieden. Zum nächsten Schauplatz des kantonalen Aufstandes gegen unliebsame Bundeserlasse scheint sich das Krankenversicherungsgesetz zu entwickeln: Demonstrativ laut und geschlossen verwerfen die Kantone ein Sozialziel, das sie anfänglich noch mitgetragen haben. Und sie weisen sogar ein Spitalfinanzierungsmodell zurück, das auf einem Entscheid des Versicherungsgerichts beruht und als dringliches Recht seit über zwei Jahren in Kraft ist.

Der Aufschrei der Kantone kommt reichlich spät, doch legen sie den Finger dennoch auf die wunden Punkte. Ein schweizweit einheitliches Sozialziel entreisst den Kantonen nicht nur ihre Hoheit in der Sozialpolitik. Aus finanziellen Überlegungen ist der Bund auch nicht bereit, genügend Mittel bereitzustellen, um seine eigene Vorgabe zu erfüllen. Und die Spitalfinanzierungspolitik des Bundes steuert auf ein Ziel zu, das zwar alle gleich nennen (monistische Finanzierung), unter dem jedoch bei weitem nicht alle dasselbe verstehen. Dass die Kantone als direkt Betroffene an vorderster Front auf Klärungsbedarf hinweisen, macht Sinn. Prämienbefreiung für alle Kinder heisst die Alternative der Kantone zum bundesrätlichen Sozialziel. Bei der Spitalfinanzierung wollen sie zum alten System zurückkehren. Wie tauglich diese Rezepte sind, wird sich allerdings noch weisen müssen.

Zweifeln lässt einen die Tatsache, dass sich die Kantone vor allem dort wehren, wo Mehrkosten zu kanalisieren sind. In Zeiten knapper Mittel müssten sie jedoch nicht Kosten verlagern, sondern Kosten dämpfen. Ein Weg dazu wäre die interkantonale Spitalplanung, insbesondere im Bereich der teuren Spitzenmedizin. Ob dabei alle Kantone am gleichen Strick ziehen? Auch darauf hätte man gern eine laute und einheitliche Antwort.

Kein Kantonsgeld für Privatspitäler Die Kantone wollen bei der Spitalfinanzierung zurück zum alten System: Für Privatspitäler sollen keine Kantonsbeiträge fliessen. Die Krankenkassen fürchten um den Wettbewerb.

Von René Lenzin, Bern Keine guten Noten für Bundesbern: Die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) hat sich mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) befasst und distanziert sich in vielen Punkten von den Vorschlägen des Bundesrats (siehe unten). Am heftigsten wehrt sich die Konferenz gegen einen Beschluss, den der Bundesrat gar noch nicht definitiv verabschiedet hat, nämlich gegen die geplante Neuordnung der Spitalfinanzierung.

Dieser Widerstand der Kantone kommt spät, denn die Richtung der Neuordnung ist weit gehend bekannt und durch ein Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes vorgegeben. Das Gericht hatte die Kantone 2001 verknurrt, Spitalbeiträge für den Grundversicherungsbereich nicht nur für allgemein Versicherte, sondern auch für privat Versicherte zu leisten. In der Folge einigten sich Kantone, Krankenversicherer und der Bund, die Kantonsbeiträge bis 2004 in Teilschritten um die erforderlichen 700 Millionen Franken pro Jahr zu erhöhen. Die höhere Kantonsbeteiligung soll nun definitiv verankert und gleichzeitig auf alle Privatspitäler ausgedehnt werden, die auf den kantonalen Spitallisten sind. Gleichzeitig schlägt der Bundesrat mit der so genannt dual-fixen Spitalfinanzierung vor, dass Kantone und Krankenkassen überall je 50 Prozent der Spitalkosten tragen.

Die Kantone stellen sich nun auf den Standpunkt, dass sie die Versorgungssicherheit für Spitalleistungen garantieren, aber selber entscheiden wollen, welchen Spitälern sie zu diesem Zweck Subventionen ausrichten. «Eine künftige Regelung», sagt der Luzerner Regierungsrat und GDK- Präsident Markus Dürr, «muss klar zwischen öffentlich subventionierter und privater Leistungserbringung unterscheiden.» Die Kantone betrachteten ihre Zahlungen nicht als sozialversicherungsrechtliche Beiträge, sondern als «Subventionen an ausgewählte Leistungserbringer mit öffentlichem Versorgungsauftrag».

Kantone mit eigenem Modell Die Spitallisten stellen für die Kantone kein taugliches Kriterium für die Beitragsfrage dar. Dürr spricht von einer «Freundschaftsliste, die eine ganz andere Bedeutung bekäme». Konkret befürchtet er, dass es zu unzähligen und unendlichen Rechtsstreitigkeiten um die Aufnahme auf die Spitallisten käme. Seine Tessiner Amtskollegin Patrizia Pesenti macht zudem geltend, dass der Bund als Rekursinstanz in Sachen Spitalliste heute allzu sehr auf täler stehe. Daher drohe eine stetige Erweiterung der Liste. Diese Erfahrung sei ein Grund mehr, das bundesrätliche Modell abzulehnen.

Mit ihrer Haltung wollen die Kantone letztlich das Urteil des Versicherungsgerichtes nichtig machen. Dass das nicht ohne Gesetzesänderung geht, ist sich Dürr bewusst. Daher arbeitet die Gesundheitsdirektorenkonferenz an einem eigenen Modell, das dem Parlament in der Wintersession vorgelegt werden könnte. Details konnte und wollte Dürr noch nicht bekannt geben. Er sagte immerhin, dass das Modell nicht am Versicherungsobligatorium rütteln, aber klar zwischen Allgemein- und Privatversicherung unterscheiden werde. Zu Deutsch: Wer sich mit der Behandlung in der allgemeinen Abteilung eines subventionierten Spitals seines Kantons zufrieden gibt, erhält eine durch Kantonsbeiträge verbilligte Behandlung. Wer mehr will, braucht eine Zusatzversicherung, die wohl teurer wäre als heute.

Für die Kantone geht es bei der Spitalfinanzierung nicht nur um ihre (Planungs)Hoheit, sondern auch ums Geld. Die finanziellen Auswirkungen des bundesrätlichen Vorschlags seien «unüberschaubar», sagt Dürr. Sie führten mit den andern Revisionen des Krankenversicherungsgesetzes zu einer erheblichen Mehrbelastung der Kantone.

Der Bundesrat muss über die Bücher Wenig Freude an der Kehrtwende der Kantone hat Santésuisse, der Verband der Krankenversicherer. «Die Gesundheitspolitik der Kantone ist ausschliesslich Finanzpolitik», sagt Santésuisse-Sprecher Peter Marbet. Auch die Versicherer sähen zwar das Problem der zu langen Spitallisten. Aber dieses Problem sei im Rahmen der Planung anzugehen, und nicht mit einem neuen System der Spitalfinanzierung. Marbet verteidigt das Modell des Bundesrats, denn für ihn sind Sockelbeiträge an Privatspitäler für Leistungen der Grundversicherung «sachlich gerechtfertigt». Nur sie ermöglichten einen Preis- Leistungs-Vergleich und somit mehr Wettbewerb im Spitalwesen. So argumentierte Anfang Jahr auch der Bundesrat und schrieb, dieses Modell sei mehrheitsfähig. Seit gestern gilt das nicht mehr. --- Keine Prämien für Kinder bezahlen? Bern. - Die Gesundheitsdirektorenkonferenz ( GDK) hat zur Entlastung der Familien eine Prämienbefreiung für Kinder gefordert. Das vom Bundesrat vorgeschlagene einheitliche Sozialziel sei «völlig verfehlt», diagnostizierte der Luzerner Gesundheitsdirektor Markus Dürr. Die Mehrkosten von 2,6 Milliarden blieben an den Kantonen hängen.

Als Alternative schlagen die Gesundheitsdirektoren eine prämienfreie Versicherung für Kinder vor. «Eine verblüffend einfache Regelung», wie GDK-Präsident Dürr versicherte: Kinder bis 18 Jahre werden gratis versichert, die Mehrkosten tragen die Erwachsenen. Dürr rechnet mit einer Prämienerhöhung von 5 bis 10 Prozent. Diese soll aber durch höhere Prämienverbilligungen aufgefangen werden. Die Mittel dazu werden durch den Wegfall der Beiträge an die Kinderprämien frei. Unter dem Strich soll eine Familie bereits ab einem Kind profitieren.

Pflegeversicherung neu regeln Alternativen präsentierten die Gesundheitsdirektoren auch zur Neuordnung der Pflegefinanzierung. Unbestritten ist laut der Tessiner Staatsrätin Patrizia Pesenti, dass mittelfristig eine neue Regelung nötig ist. Damit sollen die Krankenversicherer entlastet werden, die mit Kostensteigerungen von jährlich elf Prozent konfrontiert sind. Für die Übergangszeit pochen die Kantone aber auf einer Beibehaltung der geltenden Tarife. Für die Zeit danach stellt der Bundesrat zwei Modelle zur Diskussion: Das erste, laut dem die Krankenkassen nur noch für komplexe Pflegefälle voll aufzukommen hätten, lehnt die GDK ab. Mit Vorbehalten kann sie sich dagegen mit dem zweiten Modell anfreunden. Dieses unterscheidet zwischen Akut- und Langzeitpflege. Zustimmen könnten die Kantone aber erst nach einer Neuberechnung. Denn die Mehrkosten würden weit über den veranschlagten 263 Millionen liegen.

Positiv stellt sich die GDK zur Einführung der Vertragsfreiheit zwischen Kassen und Leistungserbringern, laut Pesenti die «vielleicht einzige Massnahme, die auf die Kosten dämpfend wirkt».

--- ENDE Pressemitteilung Kantone wollen Kinder gratis versichern ---


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