Medizinfakultäten Basel und Bern sollen zusammenspannen

06.08.2003


06.08.2003, In einem Arbeitspapier des Bundes wird vorgeschlagen, die Medizinischen Fakultäten der Universitäten Bern und Basel zusammenzulegen. Auch ein Vorstoss im Grossen Rat zielt in die gleiche Richtung. Aus Sicht der Universitäten ist eine Fusion kein Thema, die Regierung will sich nicht festlegen. Gespräche über eine Kooperation sind im Gang.

Zurzeit sorgt ein noch nicht offiziell publizierter Bericht des Bundes an den Medizinischen Fakultäten von Basel und Bern für Gesprächsstoff. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Staatssekretärs für Wissenschaft und Forschung, Charles Kleiber, schlägt die Schaffung von drei «Centres hospitalo-universitaires (CHU)», verteilt auf die fünf Standorte der heutigen Medizinischen Fakultäten vor. Ein solches Zentrum soll die Medizinischen Fakultäten und Universitätsspitäler von Basel und Bern umfassen, ein zweites Genf und Lausanne. Als drittes Zentrum ist Zürich vorgesehen. Im vorgeschlagenen Modell eines solchen Zentrums ist von einer Reduktion der Zahl der Medizinischen Fakultäten von fünf auf drei die Rede, was auf eine Fusion der Fakultäten von Basel und Bern hinauslaufen würde. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass auch andere Steuerungsmodelle denkbar sind.

An dem Bericht, der in der vergangenen Woche unter dem reisserischen Titel «Elektroschock des Bundes für die Medizinfakultäten» via Westschweizer Zeitung «Le Temps» an die Öffentlichkeit drang, waren unter anderen der frühere Zürcher Erziehungsdirektor Ernst Buschor, sein Berner Kollege Mario Annoni, der Genfer Pierre-François Unger und der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit, Thomas Zeltner, beteiligt. Basel war in der Arbeitsgruppe erstaunlicherweise nicht vertreten.

Hintergrund des Berichts ist die Tatsache, dass die Kantone immer mehr Mühe haben, die teuren Medizinischen Fakultäten und die Universitätsspitäler zu finanzieren. Die Qualität in Ausbildung, Forschung und Gesundheitsversorgung werde durch die knappen Mittel zunehmend bedroht. Der Kostendruck im Gesundheitswesen habe das finanzielle Gleichgewicht zwischen Ausbildung und Forschung einerseits und Dienstleistungen andererseits zu Ungunsten der Ausbildung gestört. Die stufenweise Schaffung eines «schweizerischen Raumes» bis 2010 für die Hochschulmedizin und eine Konzentration der Kapazitäten in den Bereichen Dienstleistungen, Lehre und Forschung sollen die drohenden Qualitätseinbussen verhindern helfen.

Das Arbeitspapier schlägt ein stärkeres Gewicht des Bundes bei der strategischen Planung der universitären Medizin vor. Danach soll ein gesamtschweizerisches Regulierungsorgan geschaffen werden, in dem politische Vertreter der Kantone einsitzen und das von einem Bundesrat präsidiert wird. Dafür will sich der Bund in Zukunft stärker an den Ausbildungskosten für die Jungmediziner beteiligen. Als weiteres Organ ist ein Fachgremium mit Vertretern der Universitäten vorgesehen, das die politischen Entscheide vorbereiten soll.

Fusion steht nicht zur Debatte

Von einer echten Fusion der Fakultäten will man allerdings weder an der Universität Basel noch in Bern etwas wissen. Michael Mihatsch, Vizedekan der hiesigen Medizinischen Fakultät, versteht das Ansinnen als Aufforderung zu verstärkter Kooperation. Deutlicher formuliert es der Vizerektor der Uni Bern, Urs Würgler: «Eine Fusion steht in absehbarer Zeit nicht zur Debatte.»

Dennoch begrüssen beide die Stossrichtung des Berichts. Mihatsch sieht in einer verstärkten Kooperation eine Chance, gemeinsam die kritische Grösse zu erreichen, um in der Forschung auch in Zukunft mithalten zu können. Zwar sei die Qualität der klinisch-medizinischen Forschung in der Schweiz gut, doch genüge die Zahl der Patienten je länger, desto weniger, um an grossen klinischen Forschungsprojekten oder so genannten «Proof of Principle»-Studien teilzunehmen. An der Uni Basel studieren 1207 Personen Medizin oder Zahnmedizin, in Bern sind es 1518.

Keine Sparübung

Da von sinkenden Studierendenzahlen nicht auszugehen ist, sehen beide Universitätsvertreter auch kein grosses Sparpotenzial. Es gehe darum, die Qualität von Ausbildung, Forschung und Versorgung bei konstanten Mitteln zu halten oder zu heben, sagt Mihatsch. Mittelfristig müsse es darum gehen, mit Verweis auf die verstärkte Kooperation vom Bund mehr Mittel einzufordern. Würgler bezeichnet diesbezüglich das Angebot des Bundes, wie es im Bericht formuliert ist, als «klar ungenügend». Dort heisst es, der Bund würde seinen Anteil an der Ausbildung von 17 auf 50 Prozent erhöhen, was etwa 200 Millionen Franken jährlich ausmache. Wirklich teuer sei aber nicht die Grundausbildung, sagt Würgler, sondern die Weiterbildung zum Facharzttitel, der von der Ärztevereinigung FMH vergeben wird. Diese werde ausschliesslich von den Kantonen finanziert.

Erste Gespräche zwischen den Regierungen von Bern und Basel sowie der Fakultäten haben stattgefunden. Im Herbst ist eine Sitzung mit Gesundheits- und Forschungsminister Pascal Couchepin vorgesehen, an der die betroffenen Sanitäts- und Erziehungsdirektoren teilnehmen werden.

Fusion im Grossen Rat gefordert

Basel. ur. «Der Vorschlag entspricht meinem Vorstoss, ich bin sehr erfreut», erklärte Maria Iselin, liberale Basler Grossrätin. Denn sie hatte vor einem Jahr einen Anzug «betreffend Fusion der Medizinischen Fakultäten der Universitäten Basel und Bern» eingereicht, der vom Parlament am 24. Oktober 2002 stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen worden ist. Eine Fusion der beiden Fakultäten würde die für den Betrieb erforderliche minimale demografische Basis von einer Million Einwohner vermitteln, heisst es im Vorstoss. Er richtete sich pikanterweise auch gegen die damals von Wissenschafts-Staatssekretär Charles Kleiber vorgeschlagene Schaffung einer «eidgenössischen Medizinischen Einheits-Fakultät». Im Juni dieses Jahres lehnte der Nationalrat eine Motion des Basler SP-Volksvertreters Remo Gysin für eine «Medizinische Hochschule Schweiz» ab. Der Anzug Iselin, der von Vertretern anderer bürgerlicher Parteien sowie von DSP und VEW mitunterzeichnet ist, fordert die Fusion der beiden Fakultäten «in möglichst kurzer Frist» durch Ausgliederung der Fakultäten aus den Universitäten oder einen Kooperationsvertrag.

Iselin sieht eine Fakultät an zwei Standorten mit Schwerpunktbildung. Die Grundlagenfächer könnten durch moderne dialogfähige Übertragungsmethoden Studierenden in Basel und Bern zugänglich gemacht werden, wie dies in der Pharmazie zwischen der ETH Zürich und der Uni Basel geschehe. Dozierende müssten an beiden Standorten zeitweise anwesend sein. «Bestechende Trümpfe» sehen auch die Basler Evangelischen (VEW) in einer Medizinfakultät Basel/Bern.

«Wichtig ist es, das Beste für beide Standorte zu erreichen»

BaZ: Nach einem Vorschlag einer Arbeitsgruppe unter Staatssekretär Kleiber soll die Zahl der Medizinischen Fakultäten auf drei reduziert werden. Diejenigen von Basel und Bern sollen gekoppelt werden. Könnte dies der Basler Universität nützen?

Christoph Eymann: Für uns war die Ausgangslage anders. Wir haben in der Presse vor mehr als einem Jahr gelesen, dass die Berner Regierung der Medizinischen Fakultät der Universität zwei Kürzungsvarianten vorgelegt hat. Wir, Sanitätsdirektor Carlo Conti und ich, sprachen deshalb am 7. August 2002 in Bern mit unseren Berner Kollegen über eine mögliche Zusammenarbeit. Wir haben das aufgenommen, im Wissen darum, dass früher oder später auch der Bund darauf kommt, die Zahl der Fakultäten zu reduzieren. Wir wollten nicht Objekt des Bundes sein, sondern proaktiv tätig werden. In diesen Gesprächen sind wir schon fortgeschritten.

Carlo Conti: Schon früher hat die Sanitätsdirektorenkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der Basel vertreten ist. Sie soll Ideen für eine bessere Koordination unter den spitzenmedizinischen Zentren entwickeln. Das erfordern auch das Krankenversicherungsgesetz und der Kostendruck im Gesundheitswesen.

Sie haben jetzt beide von Kooperation und Koordination gesprochen. Ist auch eine Fusion eine mögliche Option?

Eymann: Eine Fusion ist für uns noch kein Thema. Aber wir müssen offen sein. Entscheidend ist, dass jede Zusammenarbeit für beide Standorte einen Gewinn bringen muss. Wichtig ist es, das Beste für beide Standorte zu erreichen.

Conti: Erfahrungsgemäss braucht eine Medizinische Fakultät ein Einzugsgebiet von etwa zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. So ergeben die sieben Millionen der Schweiz drei Zentren. Im Moment liegt kein fertiges Modell auf dem Tisch, ob es sich um eine Fusion handelt oder nicht, ist zweitrangig. Mit unserer starken Position in Life Sciences in Basel wollen wir nicht nur aus gesundheits- und forschungspolitischen, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen eine Medizinische Fakultät betreiben.

Sie sprechen von Ihren Gesprächen im Kanton Bern. Die Arbeitsgruppe auf Bundesebene, bei der Basel nicht einbezogen war, schlägt aber implizit eine Fusion der Fakultäten vor.

Eymann: Im Papier der Arbeitsgruppe heisst es, dass drei Fakultäten an fünf Standorten geplant sind. Dafür müssten also Zusammenschlüsse erfolgen. Wir wollten aber Lösungen vorlegen, auch wenn wir nicht in der Arbeitsgruppe dabei waren. Diese Nichtbeteiligung versuchten wir erfolglos zu korrigieren. Immerhin steht eine Variante mit nur zwei Zentren nicht mehr zur Debatte.

Conti: Weil wir auf unterschiedlichen Kanälen interveniert haben, findet das weitere Vorgehen unter Einbezug aller betroffenen Kantone statt.

Wenn eine Medizinische Fakultät an zwei Standorten betrieben werden sollte: Wie müsste man sich die Aufteilung vorstellen?

Eymann: Da müssen wir recht offen bleiben. Ob die Dozierenden oder die Studierenden pendeln, beides muss möglich sein. Es muss in Kauf genommen werden, für einzelne Angebote eine Stunde nach Bern zu fahren. Natürlich kann ein Dozent, der auch in der Dienstleistung für Patienten tätig ist, nicht beliebig pendeln.

Conti: Der Bericht enthält dazu keine Detaillösungen. Es braucht eine sorgfältige Abstimmung zwischen Spitälern und Universitäten. Ein Forschungsschwerpunkt braucht auch eine Infrastruktur. Wir wollen in Basel die beiden Budgets für Lehre und Forschung sowie für Dienstleistungen voneinander trennen, das haben die Regierungen beider Basel in den Eckwerten zur Spitalplanung festgestellt.

Ist eine Kooperation mit Bern kompatibel mit der regionalen Zusammenarbeit?

Conti: Selbstverständlich ist sie das. Beide Regierungen haben sich unmissverständlich für eine Medizinische Fakultät ausgesprochen.

Eymann: Auch mit der Hochschullandschaft Nordwestschweiz, zu der auch die Fachhochschulen gehören, ist das Ganze kompatibel. Wir hoffen, dass wir rasch weiterkommen mit Baselland und dass auch der Aargau einer Beteiligung an der Uni Basel zustimmt.

Ist die Kooperation mit Bern eine politische Bedingung für die Schaffung eines ETH-Instituts in Basel?

Eymann: Davon haben wir bisher nichts gehört. Life Sciences erfordern eine starke Medizinische Fakultät.

Wenn eine Zusammenarbeit mit Bern kommt, muss sich der Bund stärker an den Kosten beteiligen?

Conti: Das Positive am Bericht ist, dass er eine grössere Beteiligung des Bundes andiskutiert. Wenn der Bund den Anspruch erhebt, bei den Schwerpunkten mehr mitzubestimmen, müssen wir davon ausgehen, dass er sich stärker beteiligt.

Eymann: Wenn wir eine stärkere Zusammenarbeit realisieren, so muss der Fusionsgewinn bei denen bleiben, die ihn generieren. Der Bund muss aber mehr beitragen.

Interview Thomas Müller und Urs Rist

--- ENDE Pressemitteilung Medizinfakultäten Basel und Bern sollen zusammenspannen ---


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