Gesundheitsqualität nicht antasten

05.02.2004

Uhr Lesedauer: 4 Minuten


05.02.2004, Alle stöhnen unter den Krankenkassenprämien, auf die exzellente Spitalqualität will trotzdem niemand verzichten.


Rezepte gegen die Kostenexplosion sind deshalb rar, zeigte das BaZ-CityForum.

Gehts der Wirtschaft schlecht, klagen auch die Menschen ? nicht nur unter Finanz-, sondern vor allem unter Gesundheitsproblemen. Erst seit ein paar Jahren, so führte Claude Longchamp, Leiter des Berner GfS-Forschungsinstituts aus, fühlen sich dezidiert mehr Menschen krank. Erschwerend kommt hinzu, dass inzwischen schon die Hälfte der Schweizer Bevölkerung Mühe bekundet, die ständig steigenden Krankenkassenprämien zu berappen. Longchamp illustrierte am BaZ-CityForum vom Dienstagabend anhand seines «Gesundheitsmonitors», was «das Volk» zum Wechseln der Kasse meint (noch immer eine Minderheit), wie das Leistungsangebot eingeschätzt wird (breite Zustimmung) und wo die Sündenböcke ausgemacht werden (Krankenkassen, Ärzte, Politik). Die hohe Unzufriedenheit mit der Kostensteigerung im Gesundheitswesen dürfe aber über eins nicht wegtäuschen, betonte der Sozialforscher immer wieder: «An der heutigen Qualität will kaum jemand rütteln.» Möglich, aber von einer Mehrheit noch immer abgelehnt wird die Einschränkung der freien Arzt- und Spitalwahl.

Eigenverantwortung wächst

Auch andere Erkenntnisse stimmen nicht unbedingt mit dem gängigen Lamento über die Misere im Gesundheitswesen überein. So nimmt die Zahl jener, die einen Arzt besuchen, tendenziell ab ? und hält sich damit an die Empfehlung, Lappalien selbst zu kurieren. Erschreckend hingegen ist, dass längst nicht nur materiell Schwache finanziell am Anschlag sind, sondern auch der breite Mittelstand an den Krankenkassenprämien hart zu beissen hat. Basel-Stadt stopft diese Lücke mit jährlich über 100 Millionen Franken ? ein Schweizer Rekord. Auf die Frage, wer sich stärker an den Gesundheitskosten beteiligen soll, werden im «Gesundheitsmonitor» sowohl Bund wie Kantone genannt. Der Basler Sanitätsdirektor Carlo Conti sprach jedoch Klartext, was die eidgenössische Lastenteilung angeht: Das Verhältnis sei alles andere als ausgewogen, der Bund habe in letzter Zeit den Kantonen immer mehr Aufgaben aufgebürdet.

Wirtschaftsfaktor Gesundheit

An Conti war es, aufzuzeigen, wo denn noch Saft in der Sparzitrone versteckt sei. Der Regierungsrat musste enttäuschen: «Die Effizienzsteigerung in den Spitälern ist weitgehend ausgeschöpft.» Werde das Personal noch weiter gefordert, überschreite man bald die Grenze des Zumutbaren. Bereits habe man 640 Betten abgebaut; wer darüber hinaus grosse Streichungen fordere, nehme eine deutliche Qualitätseinbusse in Kauf. Conti erinnerte auch daran, dass das Gesundheitswesen mit 27 800 Beschäftigten in den beiden Basler Kantonen der mit Abstand wichtigste Arbeitgeber ist, eine Tatsache, die man durchaus als Pluspunkt werten könne.

Die Podiumsleitung unter Seraina Gross und Martin Hicklin von der BaZ kanalisierte die zahlreichen Fragen aus dem Publikum, die sich vor allem um mögliche Sparstrategien drehten. Conti betonte etwa die Wichtigkeit von Präventionsprogrammen; tatsächlich habe sich das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung in den vergangenen Jahren drastisch entwickelt. Doch was für die einzelne Person relevant ist, das persönliche Wohlbefinden, schlägt sich nur bedingt in der Sozialrechnung nieder: «Wir bleiben halt einfach länger gesund und sterben später», kommentierte Longchamp trocken. Kostenmässig seien es aber die letzten zwei Lebensjahre, in denen 80 Prozent der Gesundheitskosten anfielen. Ob diese letzte Periode in jungen oder alten Jahren sei, habe kaum Relevanz.

Wenig abgewinnen konnte Longchamp der Pflicht zur Verschreibung von Generika ? Medikamente machen bloss 15 Prozent der Gesundheitskosten aus. Auf freiwilliger Basis sei die Förderung von Nachahmerprodukten aber wünschbar.

Wenig Erfolg prognostiziert Longchamp schliesslich einer Einheitskrankenkasse mit gleich hohen Prämien in der ganzen Schweiz, für die aktuell noch Unterschriften gesammelt wird. «In der Romandie und vielleicht auch in Basel mag es dafür eine Mehrheit geben. Doch in der übrigen Deutschschweiz ist das Anliegen chancenlos.» Konkurrenz unter verschiedenen Kassen bringe zudem Sparanreize. Ohnehin empfiehlt er, die Vorteile des seit acht Jahren geltenden Krankenversicherungsgesetzes nicht aufs Spiel zu setzen, und eins zu vermeiden: «Es darf nicht sein, dass sich ein Teil der Bevölkerung die Krankenkasse nicht mehr leisten kann.»

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