Tarmed kostet über 150 Millionen

17.12.2003


17.12.2003, Die Einführung von Tarmed auf Anfang 2004 verursacht in Arztpraxen und Spitälern enorme Kosten.

Längst nicht alle Leistungserbringer sind für den neuen Tarif bereit. Ein Chaos ist nicht auszuschliessen.

Krankenkassen, Ärzte und Spitäler sind am Anschlag. Anfang 2004 wird das neue gesamtschweizerische Tarifsystem Tarmed im Krankenversicherungsbereich eingeführt. Die Einführung sei ein "riesiger Hosenlupf", ächzt Urs Stoffel, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft. 4600 Tarifpositionen und 10 000 Anwendungsregeln umfasst der Tarif. Die EDV-Systeme müssen angepasst und die Beschäftigten im Gesundheitssektor intensiv geschult werden. Doch längst ist nicht alles bereit. "Ein Chaos im Gesundheitswesen" erwartet Peter Kappert, Präsident der Vereinigung der Schweizer Privatkliniken (PKS) und CEO der Klinikgruppe Sonnenhof AG in Bern.

"Ein Teil der Spitäler hat die Hausaufgaben nicht gemacht", sagt Stephan Hänsenberger, Leiter Tarife beim Spitalverband H+. Bei 20% der Schweizer Spitäler rechnet er mit "purem Chaos". Vorsorglich hätten verschiedene Spitäler die Kreditlimiten heraufgesetzt: Klappt die Anwendung des Tarmeds nicht, können die Krankenkassen keine Rechnungen bezahlen. Dies setzt die Spitäler unter Druck, die nötigen Anpassungen rasch zu machen. Auch die rund 10000 Arztpraxen sind erst teilweise gerüstet. "In der Deutschschweiz ist jede zweite Praxis noch nicht Tarmed-tauglich", schätzt Peter Kern, Geschäftsleiter des Ärzte-Software-Hauses Kern Concept AG in Gossau SG.

KPT im Verzug

Und auch Krankenkassen müssen sich sputen, wenn sie bei der Abrechnung mit Tarmed nicht alt aussehen wollen. Die KPT, immerhin die Nummer zehn der Branche, ist erst dabei, ihre Leistungsabrechnung zu zentralisieren. Dass diese bisher in Heimarbeit von Aussendienstmitarbeitern erledigt wurde, rief selbst innerhalb der Branche Erstaunen hervor. Allerorts sind also für die Tarmed-Einführung noch Anstrengungen nötig. Diese kosten viel Zeit, aber auch viel Geld. Hänsenberger rechnet pro Spitalbett mit Kosten von 2000 Fr. Bei 25 000 Betten in der Schweiz macht dies 50 Mio Fr. Nicht einbezogen sind in diese Schätzung die Kosten für externe Beratungsdienstleistungen.

Auch die Ärzte müssen kräftig investieren. Software-Updates kosten bis zu 5000 Fr., wie Jacques Weidmann, Leiter Tarifdienst bei der Verbindung Schweizer Ärzte (FMH), erklärt. Einige Arztpraxen müssen gänzlich neue Hard- und Software anschaffen. Rechnet man pro Praxis mit vorsichtigen 5000 Fr. Aufwand für Schulung und EDV, ergeben sich weitere 50 Mio Fr. für die Tarmed-Einführung. Wie viel diese die Krankenkassen insgesamt kostet, ist gemäss Peter Marbet, Sprecher des Branchenverbands Santésuisse, unbekannt. Helsana-Sprecher Christian Beusch geht in seinem Unternehmen von Kosten von über 2 Mio Fr. aus. Auch bei den 93 Krankenkassen in der Schweiz dürften so insgesamt rund 50 Mio Fr. für die TarmedEinführung zusammenkommen.

Softwarefirmen profitieren

Mindestens 150 Mio Fr. kostet der neue Tarif also, welcher für sämtliche ambulanten medizinischen Leistungen im Spital und in der Arztpraxis gilt. Informatik-Firmen reiben sich die Hände (siehe Kasten). Mit Tarmed würden aber auch Kosten gespart, sagen Marbet und Beusch. Ihre Hoffnung ruht auf der elektronischen Abrechnung. Spätestens zwei Jahre nach der Tarmed-Einführung muss elektronisch abrechnet werden. Die CSS erwartet Einsparungen von mindestens 300 Mio Fr.: Eine elektronische Rechnung kostet fünfmal weniger als eine Papierrechnung.

Noch wichtiger als die Einführungskosten ist die Entwicklung der Behandlungskosten unter dem neuen Tarif. Kassen, Ärzte und Spitäler haben für die Einführungsphase von eineinhalb Jahren Kostenneutralität vereinbart. Das paritätisch zusammengesetzte Kostenneutralitätsbüro wacht über die Einhaltung. "Das Kostenneutralitätspapier ist sakrosankt", erklärt Stoffel, der Mitglied des Büros ist. Er appelliert an die Ärzte, mit dem Tarmed massvoll abzurechnen. Laufen die Kosten aus dem Ruder, kann das Büro die kantonal festgelegten Taxpunktwerte senken. CSS-Sprecher Stephan Michel hegt allerdings Zweifel, ob dies geschehen wird. Denn die Entscheide müssen einstimmig gefällt werden. Zudem befürchtet er eine "ScheinNeutralität": Durch verspätete Rechnungsstellung oder Verlagerungen vom ambulanten in den stationären Bereich können die Kosten während der Einführungsphase künstlich tief gehalten werden. "Nach der Neutralitätsphase könnte das böse Erwachen kommen."

Im Unfallversicherungsbereich kommt der Tarmed bereits seit dem 1. Mai 2003 zur Anwendung. Gemäss Beat Huwyler, Direktor der Abteilung Medizinaltarife bei der Suva, sind die bisherigen Erfahrungen positiv. "Die Kosten sind grundsätzlich unter Kontrolle." Gerüchte über massiv gestiegene Fallkosten infolge von Tarmed bestätigt er nicht. "Bei gewissen Fachgruppen gibt es Kostenabweichungen nach oben", räumt er ein. Das neue Tarifsystem bleibt eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Die Vertragspartner sehen gesamthaft nach wie vor Vorteile. "Heute haben wir bei den Tarifen einen furchtbaren Salat", erklärt Hänsenberger. Die neue einheitliche Lösung ermögliche Transparenz und Vergleichbarkeit, sagen die Kassenvertreter. Das detaillierte Regelwerk liefert eine umfassende Datenbasis zur Steuerung des Gesundheitswesens. Doch allein damit ist noch nichts gewonnen: "Es braucht den politischen Mut zu steuern", merkt Hänsenberger an.

Tarmed

Software-Häuser profitieren

Der neue Medizinaltarif Tarmed zwingt Ärzte, Spitäler und Krankenkassen, sich elektronisch zu vernetzen. Spätestens in zwei Jahren müssen Ärzte und Spitäler elektronisch mit den Krankenkassen abrechnen. "Die meisten Ärzte werden schon vorher auf die elektronische Leistungsabrechnung umstellen", erwartet Urs Stoffel, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich. Denn der Tarmed gibt den Ärzten finanzielle Anreize, die Rechnung elektronisch zu versenden. Als Schnittstelle für den elektronischen Datenaustausch stehen den Ärzten die Medidata AG in Luzern oder ärzteeigene "Trustcenter" zur Verfügung. "Bisher haben sich über 4000 Ärzte den Trustcentern angeschlossen", berichtet Stoffel.

DerTarmed erfordert ohnehin Anpassungen der Soft- und allenfalls Hardware in den Arztpraxen. Davon profitieren Anbieter von Ärzte-Software. Der Marktleader Vitodata AG in Ohringen musste zusätzliche Leute anstellen, erläutert Kundensupport-Leiter Christian Schwendimann.Vitodata beschäftigt 75 Mitarbeiter und erzielte 2003 rund 16 Mio Fr. Umsatz. Ein gewisser Boom sei da. Schwendimann spricht von einem Mehrertrag im tieferen zweistelligen Prozentbereich. "Allerdings kommt jetzt alles auf einmal." Dies gehe zu Lasten der nächsten Jahre. "Der grosse Sturm ist noch nicht losgegangen", sagt hingegen Peter Kern von der Kern Concept AG in Gossau (SG). Sein Unternehmen mit 26 Angestellten hat den so genannten Tarmed-Validator in die Software integriert. Gemäss Kern reichte es deshalb, den rund 1000 Arztpraxen einen Update zu senden. Er rechnet dennoch mit einer Zunahme der Neuverkäufe.

--- ENDE Pressemitteilung Tarmed kostet über 150 Millionen ---


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