Bankenhandbuch 2010: Anhaltendes Kreditwachstum statt Kreditklemme

01.09.2010 | von Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns

Uhr Lesedauer: 6 Minuten


01.09.2010, Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat in vielen Ländern Schwachstellen bei der Kreditversorgung für Unternehmen aufgedeckt und die Angst vor einer Kreditklemme auch in der Schweiz geschürt. Vor diesem Hintergrund analysieren die Ökonomen der Credit Suisse in der diesjährigen Ausgabe des Bankenhandbuchs, wie die Unternehmen in der Schweiz finanziert sind. Sie kommen zum Schluss, dass sich die Unternehmensfinanzierung während der jüngsten Rezession im Vergleich zu den Krisenjahren 2001 bis 2003 deutlich stabiler präsentiert. Weder die Finanzierung über Bankkredite noch die Emissionstätigkeit über den Kapitalmarkt sind eingebrochen. Von einem Engpass bei der Kreditvergabe, einem "Credit-Crunch", kann also keine Rede sein. Vielmehr stellt ein anhaltendes Kreditwachstum während einer Rezession in der Schweiz ein Novum dar.


Das diesjährige Bankenhandbuch der Credit Suisse befasst sich schwerpunktmässig mit der Analyse, wie Unternehmen in der Schweiz finanziert sind und wie sich die verschiedenen Finanzierungsquellen in der Krise behauptet haben. Die Systeme zur Finanzierung von Unternehmen variieren im Ländervergleich erheblich. Die Schweiz ist geprägt von einer Mischform zwischen beziehungsbasiertem System, in welchem Finanztransaktionen über Bankbeziehungen getätigt werden und dem "Arm's length"-System, der Finanzierung über den Kapitalmarkt. Trotz der gegenwärtig stabilen Entwicklung bei der Unternehmensfinanzierung in der Schweiz bestehen gewisse Risiken, wie beispielsweise der Anstieg des Zinsniveaus oder Finanzmarktturbulenzen, die sich unterschiedlich stark auf die einzelnen Finanzierungsarten von Unternehmen auswirken können.

Aktienmarktfinanzierung dominiert die Schweiz
Im internationalen Vergleich verfügt die Schweiz mit mehr als 200% des Bruttoinlandprodukts über den höchsten Anteil an Aktienmarktfinanzierungen. Weder deutlich grössere Länder (wie Deutschland, Frankreich oder die USA) noch ähnlich kleine Handelsnationen (wie Irland oder Österreich) kommen auch nur annähernd an diesen Wert heran. Üblicherweise stellen Bankkredite im Ausland jeweils die wichtigste oder zweitwichtigste Finanzierungsform dar, mit Ausnahme der USA, wo die Finanzierung über den Kapitalmarkt eine historisch gewachsene Bedeutung hat und mit Abstand am stärksten ausgeprägt ist.

KMU finanzieren sich mehrheitlich über Eigenmittel oder Bankkredite
Während kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) mit bis zu 250 Mitarbeitenden vorwiegend über Bankkredite finanziert sind (sofern sie nicht nur mit Eigenkapital arbeiten), findet die Finanzierung bei Grossunternehmen mehrheitlich über den Kapitalmarkt statt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass 90% der Unternehmenskredite in der Schweiz an KMU gehen. Analysen und Umfragen bei den KMU zeigen aber, dass über zwei Drittel ausschliesslich mit Eigenkapital arbeiten. Mit zunehmender Betriebsgrösse steigt allerdings die Finanzierung mit Bankkrediten erheblich.

Kapitalmarkt vorwiegend für die Grossen
Der Kapitalmarkt zeigt sich äusserst konzentriert: Im Markt für inländische Unternehmensanleihen machen die grössten fünf Emittenten (unter Ausklammerung von Kantonen, Städten und Unternehmen aus dem Finanzsektor) rund 55% des Anleihenvolumens aus. Neben den Anleihen stellt auch die Emission von eigenen Aktien eine beliebte Finanzierungsquelle von Grossunternehmen dar. Der Schweizer Aktienmarkt zeigt eine starke Konzentration bezüglich Branchenstruktur: Pharmaunternehmen, Nahrungsmittelindustrie, Banken und Industriegüterunternehmen sind gemäss Marktkapitalisierung am stärksten vertreten.

Anhaltendes Kreditwachstum trotz Rezession
Die Situation der Unternehmensfinanzierung in der Schweiz hat sich während der jüngsten Rezession im Vergleich zu den Krisenjahren 2001 bis 2003 deutlich stabiler präsentiert. Das Wachstum der Unternehmenskredite hat sich zwar abgeschwächt, dennoch ist es nie zu einem markanten Rückgang der gesprochenen Kreditlimiten gekommen. Ein anhaltendes Kreditwachstum während einer Rezession stellt in der Geschichte der Schweiz ein Novum dar. Nicht nur während der Dotcom-Rezession, sondern auch während der Rezession 1975 und der Stagnation in den 1990er-Jahren verhielt sich das Kreditwachstum prozyklisch zum realen BIP, das heisst, das Kreditvolumen nahm im Einklang mit der negativen Wirtschaftsentwicklung ab. In der jüngsten Rezession hingegen wuchs das Kreditvolumen trotz rückläufigem BIP in jedem Quartal mehr als 2%. Gründe für das solide Kreditgeschäft während der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise ist vor allem die Tatsache, dass das Gros der Banken wenig von der Krise betroffen war und einen starken Zufluss von Kundengeldern im Depositengeschäft verzeichnen konnte, sowie die historisch tiefen Zinssätze.

Rekord bei Anleihenemissionen im Jahr 2009
Auch der Anleihenmarkt in der Schweiz entwickelte sich in der jüngsten Rezession erstaunlich solide. Im Jahr 2009 wurden an der Schweizer Börse neue Rekordstände der Anleihenemissionen verzeichnet, was im starken Kontrast zu den rezessiven Entwicklungen 2001 bis 2004 steht. Damals reduzierten sich Emissionen und Nettobeanspruchung deutlich, obwohl sich die Refinanzierungskosten (Renditen) ähnlich stark zurückbildeten. Verantwortlich für die stabile Entwicklung des Anleihenmarkts waren die Verwerfungen an den Aktienmärkten, welche dazu führten, dass Investoren ihr Kapital zunehmend in festverzinsliche Anlagen umschichteten. Durch diese starke Nachfrage nach Anleihen sowie die Massnahmen der Schweizerischen Nationalbank, ebenfalls als Käuferin von Unternehmensobligationen aufzutreten, sanken die Renditen deutlich, was die Refinanzierung vergünstigte. Diese Situation nutzten viele Unternehmen und emittierten zu relativ günstigen Konditionen Anleihen.

Rückgang der Börsengänge deutlich geringer als 2001
Die Börsenturbulenzen und das erschütterte Investorenvertrauen während der Finanzkrise sorgten für einen deutlichen Rückgang der Börsengänge in der Schweiz. Um externe Faktoren (Neukotierung der Julius Bär Gruppe) bereinigt, zeigt ein Blick auf die Mittel, welche die Unternehmen durch Börsengänge mobilisieren konnten, dass zwischen 2008 und 2009 ein Rückgang stattgefunden hat. Damit haben sich während der Finanzkrise nicht nur die Anzahl Börsengänge, sondern auch die zugeflossenen Mittel reduziert. Der Verlauf folgt damit, zumindest in qualitativer Hinsicht, jenem der Dotcom-Rezession, verglichen aber mit dem Einbruch von 2001 sind diese Rückschläge eindeutig geringer. Der steile Anstieg des Marktwerts der Börsengänge im laufenden Jahr ist neben dem IPO von Orior auf den grossen Börsengang von Transocean. diesen April zurückzuführen. Im internationalen Vergleich präsentiert sich der IPO-Markt aktuell eher verhalten.

Die Schweiz auf dem goldenen Mittelweg
Aus volkswirtschaftlicher Sicht stellt sich die Frage nach den Vor- und Nachteilen von Finanzierungssystemen und nach dem wünschbaren Mix. Im Konjunkturabschwung dürfte ein beziehungsbasiertes System mehr Stabilität gewährleisten. Dem Erhalt einer Geschäftsbeziehung wird ein grosses Gewicht beigemessen, so dass im Fall von Finanzierungsengpässen auch Überbrückungen gewährt werden. Die Schockanfälligkeit und die Gefahr für die Finanzstabilität sind in einem "Arm's lenght"-System zwar hoch, die Anpassungs- bzw. Erholungsfähigkeit aber offenbar auch. Aktuell scheint die Tatsache, dass sich das Epizentrum der Finanzkrise in den USA befand und diese nicht zuletzt vom amerikanischen "Arm's length"-System begünstigt wurde, die Erholungsfähigkeit der US- Wirtschaft nicht zu beeinträchtigen. Anders in Europa mit seinen traditionell eher beziehungsbasierten Systemen: Das Gewicht der Banken in der Wirtschaft bzw. die Altlasten der Krise beeinträchtigen die Erholungsfähigkeit und die Neukreditvergabe. Die Schweiz mit ihrem hybriden System liegt dazwischen – hier kam es denn auch weder bei der Bankkreditvergabe noch auf den Kapitalmärkten zu einem Crunch.


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