Bund überprüft Medikamentenpreise - Auch Verfahren zur Preisfestsetzung unter der Lupe

10.02.2005


10.02.2005, Etliche ältere Medikamente, die noch unter Patentschutz stehen, sind zu teuer, meint Hans Heinrich Brunner, Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Deshalb durchforstet das BAG nun die Liste der kassenpflichtigen Medikamente und prüft Preissenkungen. Bei einigen Mitteln müssen die Preise allerdings angehoben werden.

Bern, Zu den steigenden Kosten im Gesundheitswesen tragen auch die Ausgaben für Medikamente massgeblich bei. In welchem Umfang, ist zwar umstritten, doch dass auch in diesem Bereich gespart werden muss, steht ausser Frage. Die laufende Revision des Krankenversicherungsgesetzes sieht zwar die Verpflichtung der Leistungserbringer vor, möglichst günstige Arzneimittel abzugeben, doch die Auswirkung dieser Massnahme auf die Kostenentwicklung ist begrenzt. Seit Jahren drängen die Krankenversicherer, Konsumentenschützer und der Preisüberwacher deshalb auf eine Senkung der Preise selbst. Die Forderung lässt sich nicht ganz erfüllen, erstens weil die Pharmaindustrie ein gewichtiger Pfeiler der schweizerischen Wirtschaft und dementsprechend einflussreich ist. Und zweitens, weil die Meinungen schon darüber weit auseinandergehen, ob Medikamente in der Schweiz überteuert sind und inwiefern sie zum Kostenwachstum beitragen (vgl. Kasten).

Tausende von Mitteln werden kontrolliert Und trotzdem kommt etwas Bewegung in die Sache: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist seit Beginn dieses Jahres im Auftrag von Bundesrat Pascal Couchepin dabei, sämtliche bis 1995 in Verkehr gebrachten und kassenpflichtigen Arzneimittel zu überprüfen, welche unter dem 15-jährigen Patentschutz stehen. Untersucht wird nicht nur, ob der Preis der Produkte angepasst werden muss, sondern auch, ob es Mittel gibt, die von der Spezialitätenliste ganz gestrichen und damit künftig von der obligatorischen Krankenkasse nicht mehr übernommen werden sollen, wie Hans Heinrich Brunner, Chef des Bereiches Kranken- und Unfallversicherung im Bundesamt für Gesundheit, gegenüber der NZZ sagte. Noch im Laufe dieses Jahres soll die Überprüfung abgeschlossen werden, anschliessend folgen die in den Jahr 1995 bis 2000 eingeführten Produkte. Es ist das erste Mal seit der Einführung des revidierten Krankenversicherungsgesetzes (1996), dass die Spezialitätenliste so systematisch durchforstet wird.

Wie viele Medikamente von einem Preisabschlag betroffen sind oder gar von der Spezialitätenliste gestrichen werden, lässt sich noch nicht sagen. Bis heute seien aber rund 25 Arzneien identifiziert, bei denen der Preis «deutlich gesenkt werden muss», wie Brunner sagte. Auch einige Medikamente, die ab nächstem Jahr nicht mehr von der Krankenkassen bezahlt werden, stehen schon fest. Um welche Erzeugnisse es sich handelt, wollte der BAG-Vizedirektor nicht sagen, er liess allerdings durchblicken, dass davon unter anderen Venensalben betroffen sein könnten. Brunner betonte aber auch, dass die Überprüfung differenziert angegangen werde und nicht einseitig Preissenkungen angestrebt würden: Es gebe auch Medikamente, deren Preis angehoben werden müsse, weil sonst die Gefahr bestehe, dass diese - obwohl medizinisch notwendig - nicht mehr produziert würden. Klar ist allerdings, dass die Medikamentenkosten insgesamt mit der Massnahme gedrückt werden sollen. Wie gross das Sparpotenzial ist, kann im Moment nicht gesagt werden.

Mehr Spielraum bei der Preisfestsetzung Unter die Lupe genommen wird aber auch das Verfahren zur Aufnahme und zur Festsetzung der Preise von Medikamenten. Über diesen Fragen brütet derzeit eine Arbeitsgruppe der Europäischen Union, in der auch die Schweiz mit einem beschränkten Sonderstatus vertreten ist. Schon im Sommer dieses Jahres soll ein erster Bericht vorliegen. Ziel des BAG ist es, die schweizerischen Verfahren so anzupassen, dass sie im Einklang mit den europäischen Normen stehen. Dabei gehe es in erster Linie darum, die Instrumente zu flexibilisieren, wie Brunner sagte: Heute werden die Preise aufgrund eines Vergleiches mit anderen Ländern festgesetzt. Möglicherweise müssten neue Ländergruppen gebildet werden.

Als zu starr erweist sich auch der Überprüfungsrhythmus: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung patentgeschützter Medikamente erfolgt grundsätzlich nur bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste sowie Jahre danach. Deshalb wird über in zeitlicher und sachlicher Hinsicht flexiblere Verfahren nachgedacht. In der EU-Arbeitsgruppe stehen aber auch radikalere Vorschläge zur Debatte, etwa die Festlegung von Maximalpreisen in gewissen Wirkstoffgruppen. Dabei werden Gruppen von vergleichbaren Arzneimittel gebildet, wobei für jede Gruppe ein Maximalpreis festgelegt wird. Von der obligatorischen Krankenversicherung werden nur die Preise bis zu diesem Maximalpreis vergütet. In Deutschland, das eine ähnliche Festbetragsregelung bereits eingeführt hat, wehrt sich die Pharmaindustrie dagegen hartnäckig - und bis jetzt vergeblich: Vorvergangene Woche beschloss die deutsche Regierung, an der Regelung festzuhalten.

--- Wirrwarr um Arzneimittelkosten dgy. Sind die Preise für Medikamente in der Schweiz gerechtfertigt? Ja, wenn man der pharmazeutischen Industrie glaubt: Die Konsumenten zahlten in der Schweiz nicht höhere Preise als in anderen Ländern, wie Studien zeigten. Höher seien nur die Herstellerpreise, was an der Bedeutung der Pharmaforschung in der Schweiz liege. Doch auch hier würden die Unterschiede kleiner: Die Differenz zu Deutschland und England betrage weniger als 10 Prozent. Der Preisindex für die 220 umsatzstärksten Medikamente sei seit 1996 als einziger im Gesundheitswesen markant gesunken. Die Pharmaindustrie betont ausserdem, dass der Anteil der Ausgaben für Gesundheitsgüter, hauptsächlich Medikamente, zwischen 1960 und 2000 beinahe um die Hälfte (auf 12,6 Prozent der Gesundheitskosten) zurückgegangen und in den letzten Jahren praktisch stabil geblieben sei.

Die Medikamentenpreise und -ausgaben sind in der Schweiz zu hoch, und sie steigen weiter: Das sagen der Preisüberwacher und die Krankenversicherer. Die Preisentwicklung rezeptpflichtiger Medikamente nehme seit Jahren ungebrochen und massiv zu. Die Gesamtkosten für die Grundversicherung seien zwischen 1997 und 2002 um jährlich 5,9 Prozent gestiegen, die Medikamentenkosten dagegen um ganze 9 Prozent, sagte der Preisüberwacher 2003 gestützt auf Zahlen des Krankenversicherungsverbandes Santésuisse. Das sei nicht in erster Linie ein Mengenproblem: Alte und kostengünstige Medikamente würden durch neue und teurere ersetzt. Die Preise der Mittel seien im Vergleich zum Ausland ausserdem überhöht, auch weil bei der Preisfestsetzung nur mit Hochpreisländern verglichen werde.

Was gilt also? Im Bundesamt für Statistik (BfS) kann man keine eindeutigen Angaben machen. Das sei einerseits darauf zurückzuführen, dass die Aussagen von der Fragestellung abhängen. Beispiele: Zwar ist der Preisindex tatsächlich rückläufig, doch dieser widerspiegelt den technischen Fortschritt nur unzureichend, das heisst, neue und teure Medikamente werden nicht erfasst. Entscheidend ist auch, ob nach den Kosten im gesamten Gesundheitswesen oder nur in der Grundversicherung gefragt wird: In der obligatorischen Krankenversicherung sind die Zuwachsraten höher, wie Raymond Rossel vom BfS erklärt. Hans Heinrich Brunner vom Bundesamt für Gesundheit sagt, das Wachstum sei in den letzten beiden Jahren geringer ausgefallen als zuvor, aber die Ausgaben stiegen weiter. Es drängten auch immer mehr und neue und teure Medikamente auf den Markt. Hinzu kämen immer wieder unechte Innovationen, also neue Produkte, die keinen eigentlichen Mehrwert aufwiesen.

Fazit: Aussagen darüber, wie stark die Medikamentenpreise und -ausgaben steigen, hängen massgeblich mit der Interessenlage desjenigen zusammen, von dem sie stammen. Oder salopper: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. dgy

--- ENDE Pressemitteilung Bund überprüft Medikamentenpreise - Auch Verfahren zur Preisfestsetzung unter der Lupe ---


Weitere Informationen und Links:


Erfasst auf
 Krankenversicherung.ch

Newsletter abonnieren
Auf  diesem Link abonnieren Sie unseren Newsletter und sind stets aktuell informiert.


Eigene News publizieren
Haben Sie eine aktuelle Firmen­infor­mation oder ein Angebot, dass Sie hier publizieren möchten?
Auf  diesem Link erfassen Sie die entsprechenden Informationen.

Swiss-press.com

Der Onlineverlag HELP Media AG publiziert seit 1996 Konsumenten­in­for­mationen für Schwei­zerinnen und Schweizer.

offene Jobs
Referenzen
  Online-Shop

HELP Media AG in Social Networks
Facebook X (früher Twitter) Instagram LinkedIn YouTube

Abo kaufen

Publizieren Sie Ihre Medienmitteilungen im Abonnement und profitieren von zwei geschenkten Mitteilungen.

ABO 10 Medienmitteilungen (+2 geschenkt)
Jetzt Abo kaufen »

Mitteilung publizieren

Um Ihre eigene Mitteilung auf Swiss-Press.com zu publizieren, klicken Sie auf folgenden Link:

Jetzt eigene Mitteilung erfassen »

Zertifikat:
Sadp.ch

Kontakt

Email:
info@help.ch

Adresse:
HELP Media AG
Geschäftshaus Airgate
Thurgauerstrasse 40
8050 Zürich


Copyright © 1996-2024 HELP Media AG, Geschäftshaus Airgate, Thurgauer­strasse 40, CH-8050 Zürich. Alle Angaben ohne Gewähr. Im­pres­sum / AGB, Nut­zungs­bedin­gungen, Daten­schutz­er­klärung