09.11.2004
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09.11.2004, Premiere für die Schweiz: Der Kanton Tessin startet einen Versuch mit einer elektronischen
Gesundheitskarte im Kreditkartenformat.
Im Tessin nehmen seit gestern 2500 Personen an einem landesweit einmaligen Pilotversuch mit einer
elektronischen Gesundheitskarte teil.
Das Projekt reicht über die vom eidgenössischen Parlament beschlossene Versichertenkarte hinaus.
Gerhard Lob, Bellinzona Bessere Qualität im Gesundheitswesen und besserer Informationsaustausch bei geringeren Kosten. Dieses ambitiöse Ziel verfolgt die Patientenkarte, die der Kanton Tessin gestern für eine 18- monatige Testphase eingeführt hat. 2500 Freiwillige im Raum Lugano haben eine Chipkarte in Kreditkartenformat erhalten. Ihnen stehen rund 600 Personen aus den Institutionen der Leistungserbringer gegenüber, darunter 40 Apotheken, 33 Arztpraxen, sieben Spitäler und Privatkliniken, ein Notfalldienst sowie ein Spitex-Dienst.
Die Chipkarte erlaubt es, administrative Daten zu speichern: Name, Adresse, im Notfall zu benachrichtigende Person, Versicherungsschutz, Bereitschaft zur Organspende. Darüber hinaus gibt es eine Rubrik für gesundheitliche Notfalldaten: Allergien, Therapien, Impfungen. Schliesslich können noch Daten zur eigenen Krankengeschichte verzeichnet werden: Zum Beispiel Diagnosen, Liste von Röntgenaufnahmen, Laborergebnisse.
Zahlreiche Informationen Die Karte wird in einen Computer eingeführt und kann von den Akteuren im Gesundheitswesen gelesen werden. So kann ein Facharzt sehen, ob und wann ein bestimmter Labortest gemacht wurde. Ein Apotheker kann erkennen, ob ein Patient auf ein bestimmtes Mittel allergisch ist. Ein Notarzt kann in Kürze feststellen, welche Blutgruppe eine verunfallte Person hat oder ob sie gegen Tetanus geimpft ist. Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand. Doppelspurigkeiten lassen sich vermeiden, die Effizienz erhöhen, Kosten einsparen. Experten gehen davon aus, dass die Erfassung und Vernetzung der Daten eine Ersparnis von 15 bis 30 Prozent der Gesundheitskosten erlaubt. Der Kanton Tessin rechnet mit jährlichen Einsparungen von 14 Millionen Franken bei Kosten von zwei Millionen Franken. Für das Pilotprojekt stellt er 2,25 Millionen Franken am Gesamtbudget von fast 3,5 Millionen Franken bereit. Der Bund sowie Private steuern je hälftig den Rest bei.
Wie steht es um Datenschutz? Doch die Gesundheitskarte hat auch problematische Seiten. Wer hat Zugang zu den heiklen Patientendaten und wie wird der Schutz dieser Daten garantiert? Entscheidendes Element des Testversuchs im Raum Lugano ist daher der freiwillige Charakter: Die Karteninhaber entscheiden, was sie speichern lassen wollen und wer Zugang zu welchen Daten erhält. Informationen, die ein Patient für besonders schützenswert markiert hat, dürfen von Dritten nur abgerufen werden, wenn der Patient seinen persönlichen Pin-Code eintippt. Andere Informationen sind nur für den Arzt oder den Apotheker lesbar. Keinen Zugriff auf die Daten haben vorläufig die Krankenkassen. Hintergrund ist die Angst, dass die Daten den Krankenkassen dienen könnte, Patienten in gute und schlechte Risikogruppen einzuteilen und allenfalls von Zusatzversicherungsleistungen auszuschliessen. Mit seinem Pilotprojekt ist das Tessin gegenüber der vom eidgenössischen Parlament im September beschlossenen Versichertenkarte klar voraus. Diese wird nur administrative Daten wie Namen, Sozialversicherungsnummer und Krankenkasse enthalten, allenfalls auf freiwilliger Basis eine beschränkte Anzahl medizinischer Daten. Offen ist auch der Zeitplan für die Einführung der Versichertenkarte. Im Tessin hofft man hingegen, dass bereits im Frühjahr 2006 erste Ergebnisse zum Pilotversuch vorliegen.
--- ENDE Pressemitteilung Gläserner Patient in der Testphase ---
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