17.01.2004
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17.01.2004, Wieder sind die Krankenkassenprämien gestiegen.
Für die Grundversicherung bezahlt ein Ehepaar mit einem Kind nun gegen 9000 Franken. Weil niemand die Entwicklung stoppt, wird diese junge Familie in 12 Monaten fast 1000 Franken mehr hinblättern müssen.
Was läuft seit der Einführung des Versicherungs-Obligatoriums falsch? Politiker zeigen auf Frau Dreifuss, die mit der Ausweitung der kassenpflichtigen Leistungen - z. B. Lifestyle-Medikamente - tatsächlich Unverständliches getan hat. Die Statistik zeigt aber, dass das Problem anderswo liegt: Die Lebenserwartung steigt Jahr für Jahr, gleichzeitig wird das Volk immer kränker!
Als eine lockere Diskussionsrunde kürzlich auf diese Groteske stiess, sagte ein Teilnehmer beiläufig: «Verordnen wir doch ein Jahr Pause für die Krankenkassen. Die für die Kostensteigerung Verantwortlichen werden sich sofort wütend melden. »
Die Diskussionsrunde machte das Spiel «Wer wird sich melden?» Hier das Protokoll. Mit Recht melden sich die schwer Kranken, die mehr zahlen müssen, als die Kassenprämie kostet. Sie sind die Verlierer. Es melden sich aber auch andere Patienten: Jene, die ihre Gesundheit mit Suchtmitteln und Trägheit ruinieren (Bewegungsarmut). Oder jene Frau, die neulich erklärte: «Wenn ich so hohe Prämien zahlen muss, will ich sicher sein und suche meine Ärztin bei jedem Durchfall auf. » Oder jene Einsamen, für die der Arzt der einzige Anteil nehmende Mensch ist. Merke: In der anonymen Welt der grossen Städte ist fast die Hälfte der Wohnungen von nur einer Person bewohnt.
Vor den Patienten hat bereits die Ärztegesellschaft ein Communiqué verschickt. Ihre Zahl steigt seit Jahren um durchschnittlich 5%. Die Statistik belegt, dass jeder Arzt Kosten von 500000 Franken auslöst. Muss der Patient selber zahlen, so fragt er sich zweimal, bevor er in die Sprechstunde geht. Und er weigert sich, 14 Tage nach Abklingen der Grippe zu einer Kontrolluntersuchung anzutreten. Das Portemonnaie der Ärzte leidet unter der Krankenkassenpause deutlich mehr als das der Patienten.
Bei den Spitälern ist die Sache weniger klar. Der Rückgang der Pflegetage ist bekannt, weil der Aufenthalt pro Akutfall von 20 auf 6 Tage gesunken ist. In vielen öffentlichen Spitälern hat man sich arrangiert und die Fixkosten nur noch zu 30% von den Pflegetagen abhängig gemacht. Der durch die Krankenkassenpause bedingte Rückgang der Patienten reduziert darum praktisch nur die Überstunden.
Nicht die Spitäler, sondern der Regierungsrat organisiert eine Pressekonferenz. Denn praktisch gleiche Kosten bei weniger Krankheitsfällen wird zum Politikum. Vor allem gibt zu reden, dass die Fixkosten der Privatspitäler so viel tiefer sind. Der Grund liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu den öffentlichen Spitälern sponsert hier niemand Steuergeld. Die Privatspitäler sind «nur» gleich betroffen wie die Ärzte. Denn der in unserem Krankenkassen-Pausenspiel zum Direktzahler mutierte Patient beobachtet auch die Leistung der Spitäler plötzlich sehr kritisch.
Und die Moral von der Geschicht, beziehungsweise des Spiels? Erstens: Es gibt weder ein Recht auf ewiges Leben noch ein Recht auf Gesundheit - aber eine Pflicht jedes Einzelnen, für seine Gesundheit primär selber zu sorgen. Zweitens: Der Staat missbraucht das Versicherungs-Obligatorium, um uns vorzugaukeln, das Recht auf ewiges Leben werde heimlich und ohne Verfassungsauftrag eingeführt. Entstanden ist der einzige Wachstumsmarkt des Landes: der Krankheitsmarkt.
Peter Schindler war Primar- und Sekundarlehrer und wurde später «Bund»-Redaktor, Direktor einer PR- Agentur und erster Chefredaktor der Berner Zeitung. Von 1968 bis 1974 war er FDP-Grossrat. Seit 1982 ist er Berater in den Bereichen Kommunikation und Politik und lebt in Spiez.
--- ENDE Pressemitteilung Ein Jahr Pause für Krankenkassen ---
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