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Illegale Rabatte auf Pillen

03.12.2003


03.12.2003, Ärzte und Apotheker prellen die Konsumenten jährlich um 100 Millionen Franken.

Sie kassieren Rabatte von der Pharmaindustrie, die sie nicht weitergeben.

Die hohen Medikamentenkosten in der Schweiz sorgen für rote Köpfe. Preisüberwacher Werner Marti macht in erster Linie die neuen, teureren Mittel für den Kostenanstieg um jährlich 10% verantwortlich. Fritz Britt, Vizedirektor beim Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), stört sich an einem ganz anderen Phänomen: Den verbotenen Boni und Rabatten.

"In den letzten Monaten hat wieder fast alles eingerissen, was früher gang und gäbe war", sagt Britt. Auf einzelne Medikamente gewähre die Pharmaindustrie Rabatte von 30, 50, ja sogar 100%. Vor allem bei Rheuma-, Schmerzmitteln und älteren Produkten sei dies der Fall. Er habe Kenntnis von ganzen Monatslieferungen, die gratis und franko an Apotheken oder Ärzte verschenkt worden seien.

Vorwürfe an Swissmedic

Diese Einschätzung bestätigt Marti. "Wir gehen davon aus, dass verbotene Rabatte im Bereich der Selbstdispensation weiterhin praktiziert werden." Laut Heilmittelgesetz sind handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte zwar zulässig; sie müssen sich aber direkt auf den Preis auswirken. Mit andern Worten: Die Rabatte müssen an die Konsumenten weitergegeben werden. "Doch die Weitergabe erfolgt bis heute nicht", sagt Britt.

Bei den rezeptpflichtigen Medikamenten rechnet Britt mit einem durchschnittlichen Rabatt von 5%, der Apothekern und Ärzten in verbotener Weise gewährt würde. Bei einem Markt von 2,2 Mrd Fr. (Herstellerpreise) ergibt das die stolze Summe von gut 100 Mio Fr., die in die Kassen von Apothekern und vor allem selbstdispensierenden Ärzten fliessen. Anspruch darauf haben jedoch die Konsumenten.

Für Jacqueline Bachmann sind die wieder aufgekommenen Rabatte "schlichtweg ein Skandal". Die Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz erhebt schwere Vorwürfe an die Aufsichtsbehörde Swissmedic, die solche illegalen Praktiken sanktionieren müsste. "Swissmedic ist heillos überfordert und nimmt die Verantwortung nicht wahr." In einem dreiseitigen Brief an Bundespräsident Pascal Couchepin - das Schreiben liegt der "HandelsZeitung" vor - fordert Bachmann, dass die illegalen Praktiken gestoppt und das Gesetz endlich vollzogen wird.

Tatsächlich bearbeitet Swissmedic seit Anfang letzten Jahres 14 Fälle, bei denen es um solche umstrittenen Rabatte geht. Vier dieser Fälle sind "heikel"; ein Abschluss ist bis heute aber nicht erfolgt. "Sie werden jedoch ab dem l. Januar 2004 prioritär angegangen", erklärt Andreas Balsiger, Leiter des Rechtsdienstes. Bisher fehlten offenbar die personellen Ressourcen. Doch Swissmedic habe weder den Auftrag noch die Mittel, Kontrollen bei Ärzten oder Apothekern durchzuführen. Im Übrigen sei die Weitergabe von Rabatten längst im KVG verankert; es sei jedoch Sache des BSV dies durchzusetzen.

Die Frage, welche Behörde bei den strittigen Rabatten überhaupt zuständig ist, wird seit Jahren hin- und hergeschoben. BSV-Vize Britt fordert nun mit Vehemenz eine höhere Transparenz bei den Rechnungen von Ärzten, Apothekern, Pharmafirmen und Grossisten. "Nur so lassen sich die erhaltenen Rabatte auf den Lieferrechnungen rückverfolgen."

RETO SCHLATTER ÜBER ZU HOHE MEDIKAMENTENPREISE

Rabatte fördern das Misstrauen

Eine brisante Untersuchung führt derzeit Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut in Bern. Die Untersuchung richtet sich gegen eine Pharmafirma, die Spezialärzte zu einem Symposium geladen hat. Anlass für das Symposium gab die Lancierung eines neuen Medikamentes. Nach sechs Stunden mit Vorträgen am Freitag folgten ein Galadiner und die Übernachtung in einem Fünf-Stern-Hotel. Für den Samstag stand ein Freizeitprogramm mit aufwendigen und teuren Ausflügen auf dem Programm - alles gratis selbstverständlich.

Laut Swissmedic ist das Strafverfahren noch in Gang; es könnte im ersten nennenswerten Urteil enden, seit das Heilmittelgesetz vor zwei Jahren in Kraft trat. Tatsächlich hat das Heilmittelgesetz eine jahrzehntealte Margenordnung abgelöst, in welcher die Marktteilnehmer die Margen im lukrativen Medikamentengeschäft untereinander aufteilten. Pharmaunternehmen, Grossisten sowie die selbstdispensierenden Ärzte mussten sich neu orientieren. Einzig bei den Apothekern trat mit der leistungsorientierten Abgeltung (LOA) eine neue Margenordnung in Kraft.

Die Rechtslage im Heilmittelbereich ist völlig verwirrend.

Boni und Rabatte, die früher an der Tagesordnung waren und allein bei den Ärzten zwischen 150 und 200 Mio Fr. pro Jahr ausmachten, wurden verboten bzw. auf handelsübliche Praktiken bzw. betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte reduziert. Die schwammige Formulierung im viel zitierten Artikel 33 Heilmittelgesetz hat sich mittlerweile als Bumerang erwiesen. In den ersten Monaten unter dem neuen Regime strich die Pharmaindustrie sämtliche Rabatte auf ihren Medikamenten, was vor allem bei den Spitälern zu Mehrkosten von weit über 100 Mio Fr. führte. Früher hatten die öffentlichen Spitäler von durchschnittlich 25% Rabatt profitiert.

Die Verwirrung wurde nun komplett, seit die Wettbewerbskommission (Weko) vor drei Monaten in einem Gutachten festgestellt hat, dass Rabatte im Spitalbereich nicht generell verboten seien. Pharmafirmen wie die Mepha AG benutzten das Gutachten, um die strittigen Rabatte wieder einzuführen - nicht nur an Spitäler, sondern auch an Apotheker und Ärzte. Um diese Leistungserbringer drehte sich das Weko-Gutachten aber gar nicht.

Der Fall zeigt einmal mehr, wie verworren die Rechtslage im Heilmittelbereich ist, aber auch wie unklar die Zuständigkeiten bei der Überwachung der Medikamentenströme sind. Praktisch lahm gelegt ist seit zwei Jahren Swissmedic: Statt mit längst vorhandenen und offensichtlichen Präzedenzfällen Klarheit zu schaffen, versteckt sich die überforderte Heilmittelbehörde hinter Allerweltsausreden.

Keine Mittel gegen die illegalen Rabatte findet auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Es macht zwar allerlei Empfehlungen und appelliert an die Vernunft der Marktteilnehmer. Doch ein Druckmittel gegen die völlig zerstrittenen Ärzte und Apotheker - wie beispielsweise im Kanton Zürich - hat auch das BSV nicht.

Die Zeche aber zahlen wie meistens in solchen Fällen die Konsumenten. Sie geben heute doppelt so viel aus für die kassenpflichtigen Medikamente wie vor zehn Jahren, Dabei werden nicht mehr Pillen geschluckt als früher. Nein, die neuen Produkte sind so viel teurer geworden. Ob sich der medizinische Fortschritt in dieser Zeit auch verdoppelt hat, lässt sich nicht messen. Klar und verwerflich ist aber, dass mit illegalen Rabatten die Preise nach wie vor künstlich hoch gehalten werden. Das latente Misstrauen gegenüber Pharmaindustrie, Ärzten und Apothekern wird so gewiss nicht kleiner.

--- ENDE Pressemitteilung Illegale Rabatte auf Pillen ---


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