Auf Bakterienfang, um gegen Antibiotikaresistenzen zu kämpfen

16.07.2025 | von Schweizerischer Nationalfonds SNF

Uhr Lesedauer: 6 Minuten


16.07.2025, Mit dem schnellen Nachweis von Bakterien können Antibiotikabehandlungen optimiert werden. Eine vom SNF unterstützte Forschungsgruppe der Universität Zürich hat Moleküle entwickelt, die bestimmte Bakterien erkennen und einfangen.


Die Entdeckung der Antibiotika im 20. Jahrhundert bedeutete für die Medizin eine Revolution und hat unzähligen Menschen das Leben gerettet. Doch schon bald stellte sich mit dem Auftreten dagegen resistenter Bakterien eine neue Herausforderung. Ein Schlüssel im Kampf gegen dieses beunruhigende Problem ist, herauszufinden, mit welchen Bakterien man es bei einer Infektion genau zu tun hat. Denn dies ermöglicht einen gezielten und wirksamen Einsatz von Antibiotika, was wiederum das Risiko senkt, dass sich neue Resistenzen entwickeln.

Mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) haben Forschende Moleküle entwickelt, die bestimmte Bakterien schneller als bisher erkennen. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift Communications Biology (*) veröffentlicht. Sie ebnen den Weg für schnellere diagnostische Methoden, insbesondere auch bei Blutvergiftungen. "Die neu entwickelten Moleküle werden bereits in einer Partnerschaft mit dem Zürcher Start-up Rqmicro eingesetzt, das Tools zur Überwachung der Wasserqualität entwickelt", freut sich der Biochemiker Markus Seeger, der die Studie am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich durchgeführt hat.

Schnellere Diagnosen

"Im Wettlauf zwischen der Entstehung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien und der Entwicklung neuer Antibiotika sind wir chancenlos", erklärt der Forscher. "Denn Bakterien befinden sich seit Jahrmillionen im Krieg mit Viren und sind es gewohnt, sich anzupassen, um neuen Gefahren zu entgehen." Die derzeit einzige Lösung ist deshalb ein sorgfältiger Einsatz von Antibiotika. Dies sorgt dafür, dass Bakterien nicht ständig mit Rückständen oder Spuren von Antibiotika in ihrer Umgebung in Kontakt kommen, damit sie möglichst unvorbereitet und wehrlos sind, wenn sie diesen während einer Behandlung ausgesetzt werden. Eine solche Strategie erfordert möglichst schnelle und genaue medizinische Diagnosen.Die etablierten Nachweisverfahren sind hingegen zeitaufwendig: Bei den Erkrankten werden Bakterien entnommen und solange vermehrt, bis eine genügend grosse Anzahl davon für eine detaillierte Analyse vorhanden ist. Diese Vermehrungsphase dauert bei gewissen Arten rund 12 Stunden, bei anderen manchmal länger. Die Analyse nimmt zwei weitere Stunden in Anspruch.

Markus Seeger und sein Team versuchen, das Verfahren zu beschleunigen: "Wir wollen gewisse Bakterien früher erkennen, auch wenn sie nur in geringen Mengen vorhanden sind, indem wir sie einfärben. Zudem möchten wir sie direkt im Blut einfangen, damit wir schneller eine grössere Zahl analysieren können." Dieser Ansatz ermöglicht zwar keine vollständige Diagnose, aber er kann das Vorkommen bestimmter Bakterien schneller als mit bisherigen Methoden bestätigen oder ausschliessen. Wertvoll ist diese Zeitersparnis vor allem bei Blutvergiftungen, denn in diesen Fällen ist es nicht immer möglich, ein oder zwei Tage abzuwarten, bis detaillierte Analysen vorliegen. Seine Gruppe befasst sich mit der Erkennung des Bakteriums Escherichia coli (E. coli). Dieses ist häufig an Infektionen der Harnwege beteiligt und kann auch zu Blutvergiftungen führen. Und das Bakterium gehört zu den Arten, bei denen die Häufigkeit von Resistenzen zwischen 2004 und 2024 in der Schweiz zugenommen hat. Bei gewissen Antibiotikaklassen treten resistente Erreger inzwischen sogar fünf Mal häufiger auf. "Wenn man weiss, ob es sich um E. coli oder etwas anderes handelt, ist dies bereits ein wertvoller Hinweis für einen ersten Behandlungsentscheid", erklärt der Biochemiker. In diesem Fall könnten die von seinem Team entwickelten Tools die übliche Diagnosezeit von zwölf etwa auf sechs Stunden halbieren.

Durch den Zuckerdschungel

Für einen guten Fang von E. coli mussten Markus Seeger und sein Team zwei Probleme lösen. Erstens musste beim Bakterium ein Zielpunkt gefunden werden, an dem der "Angelhaken" einhängen kann: ein spezifisches Element, das alle E.-coli- Bakterien aufweisen. Zweitens hat der Forscher, wie er selber einräumt, "die Komplexität des Zuckerdschungels unterschätzt, der eine Mauer um die Bakterien bildet". Denn der Dschungel aus langen Zuckerketten ist so dicht, dass nur wenige Moleküle hindurchkommen.

Als Angelhaken wählte das Forschungsteam daher Miniatur-Antikörper, sogenannte Nanobodies. Dank ihrer geringen Grösse können sie problemlos zwischen den Zuckerketten hindurchschlüpfen. Sie sind zudem stabiler als herkömmliche Antikörper und bleiben damit auch bei Raumtemperatur länger funktionstüchtig. Dies ist ein zentrales Kriterium, weil die durchgehende Kühlung während dem Transport und der Lagerung eine Herausforderung für Nachweisverfahren ist. Für eine geeignete Andockstelle beim Bakterium durchsuchte das Team eine internationale Datenbank sowie ein weiteres Register mit Bakterien, die in Schweizer Spitälern nachgewiesen wurden. Bei der Analyse des Erbguts von E. coli identifizierten die Forschenden ein Protein namens OmpA, von dem eine bestimmte Form ausschliesslich in diesen vorkommt. Die Forschenden entwickelten nun Nanobodies, die diese Version von OmpA bei über 90 Prozent der Bakterien dieser Art spezifisch und effektiv erkennen - sozusagen einen "Angelhaken", der gezielt E.coli-Bakterien bindet.

Das Ergebnis ist eine gebrauchsfertige Lösung zum Einfärben der Bakterien. Gefangen sind sie damit aber noch nicht: "Zum Aufspüren von E. coli funktioniert das gut. Man kann winzige Farbstoffmoleküle an die Nanobodies anhängen, ohne dass sie dadurch wesentlich grösser werden", erklärt der Forscher. Zum Einfangen von Bakterien verwenden wir hingegen grössere Magnetkügelchen. Diese können den Zuckerdschungel, der die Bakterien umgibt, allerdings nicht durchdringen." Die Forschenden entwickelten deshalb eine molekulare "Leine", mit der sie die Nanobodies - den "Haken" - mit den von den Zuckern blockierten magnetischen Kügelchen - der "Rute" - verbanden. "Nun haben wir ein passendes Angelset, mit dem wir E. coli erkennen und einfangen können. Ich hoffe, dass es uns gelingt, das Tool auch in die klinische Diagnostik zu integrieren. Bereits erfolgreich genutzt wird es für Umweltanalysen", schliesst der Biochemiker.

Nationales Forschungsprogramm "Antimikrobielle Resistenz" (NFP 72)

Die Problematik der Antibiotikaresistenz nimmt zu. Aus diesem Grund hat der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Auftrag des Bundesrats 2015 das Nationale Forschungsprogramm "Antimikrobielle Resistenz" (NFP 72) lanciert. Geplant wurde es in Koordination mit der Bundesstrategie gegen Antibiotikaresistenzen StAR.

Im Programm wurden insgesamt 45 Projekte durchgeführt: 33 an Schweizer Hochschulen sowie 12 internationale Projekte im Rahmen der Europäischen Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance (JPIAMR). Das NFP 72 verfügte über ein Budget von 20 Millionen Franken.

Es brachte Spezialistinnen und Spezialisten aus den Bereichen Humanmedizin, Veterinärwissenschaften, Biologie und Umweltwissenschaften zusammen. Sie erforschten neue Lösungsansätze, um die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu bremsen und die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern.

Der Text dieser News und weitere Informationen stehen auf der Webseite des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung.

Pressekontakt:

Markus Seeger
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Universität Zürich
Gloriastrasse 28/30
CH-8006 Zürich
Tel: +41 (0)44 634 53 96
E-Mail: m.seeger@imm.uzh.ch



--- ENDE Pressemitteilung Auf Bakterienfang, um gegen Antibiotikaresistenzen zu kämpfen ---

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Quellen:
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