Krankenkassen raten Patienten zu Behandlungen im Ausland

16.11.2004

Uhr Lesedauer: 5 Minuten


16.11.2004, Vorschlag stösst Patienten-Organisation sauer auf Hintergrund Von Marie-José Portmann Bern - Einige Krankenversicherer wollen halbprivat und privat Versicherte zur Behandlung ins nahe Ausland schicken.


Sie versprechen sich davon eine Kostensenkung. Patientenvertreter halten dies jedoch für ein Druckmittel zur Reduktion der Anzahl Spitäler. In der Schweiz kostet eine Herztransplantation etwa 100 000 Franken, in Deutschland nur 75 000 Franken. Eine Hüftoperation ist rund 30 Prozent billiger. Warum nicht profitieren, fragte sich die CSS. Der zweitgrösste schweizerische Krankenversicherer wird ab Anfang 2005 Patienten in die Rehabilitationsklinik in Bad Säckingen (D), zehn Minuten von Rheinfelden AG entfernt, schicken. Derzeit klärt die CSS zudem die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der Intensivpflege ab.

Chancen und Gefahren Vom Routine-Eingriff bis zur Herztransplantation - für eine Verlegung ins Ausland kommen für die CSS grundsätzlich alle chirurgischen Eingriffe in Frage, wie CSS-Sprecher Stephan Michel sagt. Eine achtköpfige Experten-Gruppe - Ökonomen, Ärzte, Spezialisten für Abkommen zwischen Spitälern - kläre bis Ende Jahr die Realisierbarkeit des Projekts ab. Er geht von einer Verlegung von rund 2000 chirurgischen Eingriffen pro Jahr aus. Es lägen bereits Angebote von Kliniken im Schwarzwald vor. DasTessin könnte mit Einrichtungen in der Region Mailand und die Nordschweiz mit der Region Stuttgart zusammenarbeiten. Hinzu kommt laut Michel, dass die Qualität der medizinischen Leistungen in den Nachbarländern im Gegensatz zur Schweiz zertifiziert ist.

Nur noch drei Zentren Auf Hindernisse auf der Ebene des internationalen Rechts angesprochen räumt Michel ein, dass das Projekt noch einen anderen Hintergrund hat: Im Bereich der Spitzenmedizin müssen die Kantone bis 2007 eine gemeinsame Planung beschlossen haben; die Kantone sollen ermuntert werden, im Rahmen dieser Planung Spitäler zusammenzufassen. Um genügend Betten sowie die medizinische Qualität garantieren zu können, müsse die Zahl der Spitäler auf drei grosse spezialisierte Zentren reduziert werden, sagt Michel. Auch santésuisse- Sprecher Yves Seydoux ist überzeugt, dass dies im Interesse der Patienten wäre. Er freut sich, dass Preisvergleiche mit dem Ausland angestellt werden.

Keine Wahl mehr santésuisse habe das Talent, Lärm zu machen und zu schockieren, sagt die Sprecherin der Schweizerischen Patienten-Organisation (SPO), Anne-Marie Bollier. Sie befürchtet, die Krankenversicherer wollten ihre zusatzversicherten Mitglieder im Kampf für eine Reduktion der Spitäler als "Geiseln" einsetzen. Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland behandelt würden, wollten jeweils nur eins: möchlichst schnell wieder zurück in die Schweiz, sagt Bollier. Vielleicht sei die Qualität der Pflege in manchen ausländischen Kliniken vergleichbar mit jener in der Schweiz. Die Hotellerie und die Aufmerksamkeit des Personals könnten aber nicht mithalten. Zudem habe die CSS wohl vergessen, dass Angehörige Ferien nehmen müssten, um ihren Partner oder ihr Kind ins Ausland zu begleiten. Nun seien die politischen Behörden gefordert, sagt Bollier. Sie müssten santésuisse in Erinnerung rufen, dass sie eine Akteurin des schweizerischen Gesundheitssystems sei, das auf gegenseitiger Solidarität basiere.

Kritik an Rückvergütung von billigeren Medikamenten aus dem Ausland Bern - santésuisse rät den Versicherern, im Ausland günstiger gekaufte Medikamente rückzuvergüten. Die SPO ist darüber empört. Sie befürchtet, dass der Anstieg der sozialen Kosten höher ist als die Einsparung bei den Krankenkassenprämien.

Die Mindereinnahmen für jede Schweizer Apotheke wären etwa so hoch wie das Gehalt einer Pharma- Assistentin, rechnet Anne-Marie Bollier von der Schweizerischen Patienten-Organisation (SPO), selbst Apothekerin, vor.

Bei den 170 Apotheken im Kanton Genf zum Beispiel entspräche dies einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 1,2 Prozent, wofür die Öffentlichkeit aufzukommen hätte, sagt Bollier.

Würden die Versicherer bei den Medikamenten 10 Prozent einsparen können, würden sich deren Gesamtausgaben laut Bollier um 2 Prozent verringern. Auf die Prämien hätte dies pro Person und Monat eine monatliche Reduktion von 6.40 Franken zur Folge - vorausgesetzt, die Einsparungen würden vollumfänglich an die Versichertern weitergegeben.

Dieser Versuchsballon diskreditiere die Versicherer, sagt Bollier. Man gebe die Kosten an die Arbeitslosenversicherung weiter. Nur damit man sagen könne, man habe etwas zur Senkung derPrämien beigetragen.

BAG prüft Abweichungen vom Territorialitätsprinzip Bern - Damit Gesundheitsleistungen im Ausland auch von der Grundversicherung bezahlt werden könnten, müssten die gesetzlichenGrundlagen geändert werden. Eine Arbeitsgruppe des BAG klärt ab, obAbweichungen vom Territorialitätsprinzip sinnvoll sind.

Die Grundversicherung decke nur Leistungen, die in der Schweiz bezogen würden, erklärt Daniel Wiedmer, Leiter der Abteilung Aufsicht Krankenversicherung im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Einzige Ausnahmen: Notfälle oder Fälle, in denen die entsprechenden Leistungen nicht im Inland erbracht werden können.

Die Arbeitsgruppe untersucht nun die Bedingungen für eine Rückerstattung der Kosten für ausländische Spitalleistungen durch die Grundversicherung. Der Bericht soll im Dezember vorliegen. Dabei gehe es einzig um Institutionen direkt an der Grenze, betont Wiedmer.

Weitere Ausnahmen möglich Auch das eidgenössische Parlament wird sich mit dem Thema befassen: Nationalrat Hans-Jürg Fehr (SP/SH) verlangt in einer Motion, dass die Grenzkantone die Möglichkeit haben sollen, Spitäler im grenznahen Ausland auf ihre Spitallisten zu setzen. Der Bundesrat antwortete auf die Motion, eine zusätzliche Abweichung vom Territorialitätsprinzip sei denkbar, wenn gewisse Gesundheitsleistungen von einem im nahen Ausland gelegenen Spital in gleicher Weise und zu gleichen oder tieferen Kosten wie im Kanton selbst erbracht werden könnten. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufnahme solcher Spitäler in die Spitalliste eine Ausweitung des Angebotes habe und Mehrkosten verursache, so lange die in der Schweiz bestehenden Überkapazitäten nicht im gleichen Ausmass reduziert würden.

Quelle: SDA

--- ENDE Pressemitteilung Krankenkassen raten Patienten zu Behandlungen im Ausland ---


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