Krankenversicherer entdecken die Schwarzwaldkliniken

05.05.2004

Uhr Lesedauer: 5 Minuten


05.05.2004, Mehr und mehr Krankenkassen kaufen im Ausland Gesundheitsleistungen günstig ein.


Vorderhand beschränkt sich das Angebot zwar noch auf Rehabilitationskuren für Zusatzversicherte. Doch weitere Leistungen sollen schon bald hinzukommen.

Helsana, die Nummer eins unter den Krankenversicherern, hat in den letzten Monaten mit acht süddeutschen Kliniken Verträge abgeschlossen. Welche Kosten dabei eingespart werden können, skizziert Helsana-Sprecher Christian Beusch: "Zwei Wochen halbprivat im Fachbereich Psychosomatik kosten in der Luzerner Höhenklinik Montana 8890 Fr., in der Luisenklinik im deutschen Bad Dörrheim hingegen bloss 2471 Fr. Für ebenfalls zwei Wochen privat in Orthopädie in der Zürcher Höhenklinik in Wald sind 10 668 Fr., in der Park Klinik in Bad Säckingen jedoch nur 2618 Fr. zu bezahlen." Dem Beispiel von Helsana sind inzwischen andere Krankenkassen gefolgt. Die CSS hat ebenfalls mit der Park Klinik in Bad Säckingen einen Vertrag unterzeichnet. Mit weiteren Anbietern ist sie im Gespräch. "Die Behandlungskosten sind 50 bis 70% billiger als in der Schweiz", begründet CSS- Sprecher Andreas Anderegg. Auch die Concordia hat mit einer ausländischen Klinik einen Pilotversuch gestartet.

Rückendeckung durch Santésuisse Die ÖKK hat noch keine Verträge, evaluiert aber grenzüberschreitende Lösungen. Bis Ende 2004 sollen Entscheide fallen. Auch Groupe Mutuel und Intras schliessen eine Zusammenarbeit mit ausländischen Leistungserbringern nicht aus. Die Swica unterstützt nach individueller Absprache Patienten, die sich im Ausland behandeln lassen wollen. Rückendeckung erhalten die Krankenversicherer vom Branchenverband Santésuisse. "Wir begrüssen solche Verträge, sofern die Versicherten weiterhin zwischen der Schweiz und dem Ausland wählen können und sofern die Qualität gesichert ist", erklärt Santésuisse-Sprecher Peter Marbet. Genau in diesem Punkt äussern die Kritiker ihre Bedenken. Bernhard Wegmüller, Geschäftsführer des Spitalverbandes H+, glaubt, dass gleiche Qualität auch im nahen Ausland kaum zu einem anderen Preis erhältlich ist als in der Schweiz. Den in dieser Aussage mitschwingenden Vorwurf, die günstigeren deutschen Kliniken seien auch entsprechend schlechter, können die Krankenversicherer mit guten Argumenten entkräften. "Die medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Leistungen sind mit dem Schweizer Standard identisch", betont Beusch, "und der Hotelleriekomfort ist in den süddeutschen Kliniken sogar meistens besser." Ein weiterer Vorteil seien die günstigeren Tarife für Begleitpersonen. Bei der CSS weist man auf vierteljährlich durchgeführte Qualitätsprüfungen deutscher Kliniken hin. "Kontrollen, wie sie Schweizer Kliniken nicht vorzeigen können", bemerkt Anderegg. Zwar wird auch in der Schweiz die Qualität gemessen, aber die Ergebnisse werden unter Verschluss gehalten. "Wir wissen heute gar nicht, wie es um die Qualität der Schweizer Kliniken wirklich steht", sagt Marbet. Dem widerspricht Thomas Stoll, Präsident der Vereinigung der Rehabilitationskliniken der Schweiz (VRKS). Er verweist auf eine wissenschaftliche Studie (Interregio), welche die bessere Qualität von Schweizer Kliniken nachgewiesen habe. Für ihn ist klar, dass die deutsche Konkurrenz vor allem beim Personal spart. "Die Park Klinik in Säckingen müsste, wenn sie nach Schweizer Standards arbeiten würde, doppelt so viele Ärzte und dreimal so viel Pflegepersonal einstellen." Der grosse Verlierer einer Rehabilitation im Ausland sei letztlich der Patient, befürchtet Stoll.

Anreize für Patienten Dass die Krankenkassen bei der Rehabilitation über den Grenzzaun grasen, ist kein Zufall. Weil jeder Patient eine Kostengutsprache braucht, bevor er eine Kur antritt, kann man ihn hier leicht steuern. Trotzdem stellt Beusch klar: "Wir üben keinen Druck aus, sondern lassen unsere Versicherten selber entscheiden." Nach Deutschland gezwungen werde keiner. Die CSS diskutiert im Moment finanzielle Anreize, die dank der günstigen Preise den Kunden bei einer Rehabilitation im Ausland gewährt werden könnten: Einen Bonus auf die monatliche Prämie zum Beispiel, ein Taschengeldwährend der Kur, die Übernahme der Hotelkosten des begleitenden Lebenspartners usw. Rechtlich ist die Ausweitung des Leistungsangebots ins Ausland äusserst umstritten. Daniel Wiedmer, Leiter Aufsicht Krankenversicherung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), verweist auf das Territorialprinzip. Die obligatorische Grundversicherung übernimmt demzufolge nur Leistungen von Spitälern und Kliniken in der Schweiz, die auf einer kantonalen Spitalliste stehen. Einen gewissen Spielraum, medizinische Leistungen im Ausland zu beziehen, gebe es bei den Zusatzversicherungen. Mehr Freiheit wünschen sich die Krankenversicherer aber auch in der Grundversicherung. "Wir hoffen, dass das wettbewerbsverhindernde Territorialprinzip eines Tages gelockert wird", so Anderegg. Damit würden Therapien im Ausland auch für allgemein Versicherte denkbar.

Ferrari- oder Opel-Klinik Die Helsana kann sich vorstellen, auch für akut-stationäre Leistungen schon bald Verträge abzuschliessen: Einerseits bei fehlendem Angebot in der Schweiz, andererseits weil in grenznahen Gebieten das ausländische Spital oft näher beim Wohnort des Patienten liegt als ein schweizerisches. "Die Spitalplanung sollte weder an Kantons- noch an Landesgrenzen Halt machen", fordert Beusch. Die CSS hat ausgerechnet, dass die Behandlung inklusive Rehabilitation für Hüft- Endoprothesen in Deutschland nicht mehr als in der Schweiz die akute Behandlung allein kostet - mit einem Patienten liessen sich so ein paar tausend Franken sparen.

- Der Komfort ist in Süddeutschland meistens besser. - BAG-Vertreter Wiedmer spricht von einer letztlich politischen Frage. Dabei müsse beantwortet werden, ob die Schweiz das deutsche Sozialsystem mitfinanzieren wolle. Am Ende drohten hier zu Lande unliebsame Mehrkosten, weil als Folge der Öffnung die Schweizer Kliniken schlechter ausgelastet seien. Auch die Planbarkeit der Spitalversorgung in der Schweiz würde über den Haufen geworfen. Wegmüller vermutet, dass die "deutschen Kliniken zwecks besserer Auslastung unter den Gestehungskosten verrechnen und damit den Markt kaputtmachen". Beusch hingegen erklärt das unterschiedliche Preisniveau ganz anders. Viele Kliniken in der Schweiz hätten in den letzten Jahren massiv aufgerüstet und klagten jetzt über zu hohe Fixkosten. "Nötig ist nicht immer eine Ferrari-Klinik, oft genügt für eine erfolgreiche Therapie eine Opel-Variante."

--- ENDE Pressemitteilung Krankenversicherer entdecken die Schwarzwaldkliniken ---


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