06.01.2004
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06.01.2004, Die alternativen Versicherungsmodelle gewinnen wieder an Fahrt.
Hausarztmodelle, bei denen die Leistungserbringer Kostenverantwortung übernehmen, werden Tatsache.
Nach einer längeren Durchhängephase kommen von den alternativen Versicherungsmodellen neuerdings Lebenszeichen: Die Swica bietet ab Anfang 2004 im Kanton Zürich wieder ein Hausarzt- Versicherungsmodell an. Sie vermochte sich mit den drei Hausarztnetzen Hawa, Medix-Ärzteverbund und Wintimed auf ein zukunftsweisendes Entschädigungsmodell zu verständigen. Die Ärzte übernehmen eine weit gehende Kostenverantwortung und haben damit Interesse an einem effizienten Einsatz der Medizin. Die finanzielle Risikobeteiligung der Ärzte gilt als Schlüssel zum Erfolg bei alternativen Versicherungsmodellen wie dem Hausarzt- und HMO-Modell.
Neben der Swica sorgt auch die mitbewerberin Helsana für frischen Wind im Krankenversicherungsbereich: Sie lanciert mit "Premed-24" ein neues alternatives Versicherungsmodell, das auf die telefonische Gesundheitsberatung setzt (siehe untenstehenden Kasten).
Die Versicherer sind zurückhaltend: Sie warten die 2. KVG-Revision ab.
Angesichts von enttäuschenden Resultaten sind in den letzten Jahren verschiedene Versicherer beim Hausarztmodell auf die Bremse getreten. Die CSS zog sich aus diesem zurück, und auch die Helsana verabschiedete sich 2002 teilweise. "Es wurden keine Kosten gespart", erläutert CSS-Sprecher Stephan Michel. Der Grund dafür war, dass im Hausarztmodell alter Schule die Leistungserbringer nicht in die Budgetverantwortung eingebunden waren. "Es gab und gibt zu viele Jekami- Hausarztmodelle" - Motto: jeder kann mitmachen (Jekami) -deren offensichtliches Ziel es ist, die Ausbreitung von Managed-Care-Ansätzen zu verhindern", schrieb Helsana-Chef Manfred Manser mit Blick auf die fehlende Selektion und Kostenverantwortung der beteiligten Ärzte. Helsana-Sprecher Christian Beusch spricht von reinen Kundenbindungsinstrumenten für Ärzte.
Immer mehr Capitation-Modelle
Doch mittlerweile ist man einen Schritt weitergekommen. In das Hausarztmodell, das man schon auf dem Sterbebett wähnte, wurde neues Leben eingehaucht. Die Bereitschaft der Ärzte, sich bei neuen Hausarztmodellen mit Budgetverantwortung zu beteiligen, scheint zu steigen. "Ein Teil der Ärzte will etwas gegen die steigenden Kosten tun", beobachtet Concordia-Geschäftsleitungsmitglied Agnes Durrer. Swica-Sprecherin Nicole Graf weist darauf hin, dass die Swica im Kanton Thurgau bereits das gleiche Modell mit Capitation wie in Zürich in Betrieb habe. Sie geht davon aus, dass auf 2005 weitere Verträge mit Hausarztvereinigungen abgeschlossen werden können.
Selbst die CSS, die dem Hausarztmodell entsagte, arbeitet weiterhin mit dem Ärztenetzwerk Réseau Delta in Genf zusammen - auf Capitation-Basis, wie Stephan Michel betont. Bei Capitation-Modellen erhält das Ärztenetz von der Krankenkasse pro Versicherten eine jährliche Pauschale zur Deckung der Behandlungskosten. Die Ärzte sind dadurch in die Kostenverantwortung eingebunden. Die in Bezug auf die ökonomischen Anreize wenig sinnvolle retrospektive Kostenerstattung, wie sie in der Schweiz im herkömmlichen Krankenversicherungsmodell besteht, ist damit ausgeschaltet.
Allerdings ist die Umstellung auf ein Capitation-Modell kein leichtes Unterfangen und bedarf intensiver Verhandlungen mit den Ärzten. Die Concordia beispielsweise hat in ihren Hausarztmodellen noch kein Capitation-System eingeführt. "Es ist schwierig, die angemessene Höhe der Captitation zu berechnen", erklärt Durrer. Gemäss Durrer ist es nämlich weiterhin knifflig, die genauen Kosteneinsparungen des Hausarztmodells zu beziffern. Die Versicherer müssen auch den Risikoentmischungseffekt berücksichtigen: Eher gesündere Versicherte schliessen sich dem Hausarzt- oder dem HMO-Modell an. Auf Grund der berechneten Kosteneinsparungen gewährt die Concordia ihren Versicherten im Hausarztmodell unverändert je nach Kanton einen Rabatt von 7 oder 8 Prozent. Immerhin haben sich bei der Concordia schon über 10 Prozent der Versicherten für ein alternatives Versicherungsmodell entschieden. Bei der Swica sind es gar über 40 Prozent.
Knifflige Umstellung
Von der Schwierigkeit, bei der Umstellung auf eine Capitation-Vergütung die Höhe der Behandlungspauschale zu kalkulieren, berichtet auch Caroline Patrik, Geschäftsleitungsmitglied der Sanacare AG in Winterthur. Es sei komplex und stelle eine echte Herausforderung dar, sich mit den Ärztenetzwerken auf eine Capitation für ein Versichertenkollektiv zu einigen. Erst im Rahmen eines Pilotprojekts mit Wintimed setzt Sanacare auf ein Capitation-Modell. Die Sanacare, die den Krankenkassen Concordia und Wincare gehört, betreibt in der Schweiz 34 Hausarztnetze und 6 HMO- Zentren. Beim Hausarztmodell sind neben Wincare und Concordia als Partnerversicherer Atupri und ab Anfang 2004 die Visana mit von der Partie.
Die Zahl der Hausarztnetze bei der Sanacare sei in letzter Zeit konstant geblieben, erklärt Patrik: "Die Versicherer sind gegenwärtig zurückhaltend." Sie warten die Auswirkungen der 2. Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ab. Die von der Politik formulierten Rahmenbedingungen spielen eine wesentliche Rolle für die weitere Entwicklung der alternativen Versicherungsmodelle. Denn bis anhin fuhren die Ärzte im konventionellen System finanziell besser. Die Lust, in einem alternativen Versicherungsmodell ökonomische Kostenverantwortung zu übernehmen, war deshalb bei vielen Ärzten beschränkt.
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Premed-24
Helsana hat ein neues alternatives Versicherungsmodell: "Premed-24", das einen Prämienrabatt von 8 Prozent gewährt. Im Gegenzug müssen sich die Versicherten bei jedem neuen Gesundheitsproblem an die telefonische Premed-24-Gesundheitsberatung wenden. Partner bei Premed-24 ist Medvantis medi-24 in Bern, ein Tochterunternehmen der Winterthur. Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern (ISPM) hat die Dienstleistungen von Medvantis medi-24 wissenschaftlich evaluiert. 63 Prozent der befragten Anrufer änderten nach der Beratung ihre ursprüngliche Handlungsabsicht.
81 Prozent der Anrufenden mit der Absicht, direkt eine Notfallstation aufzusuchen, liessen sich nach der Telefonberatung vom Hausarzt oder dessen Vertretung behandeln oder behandelten sich selbst. Insgesamt ergab sich eine Verschiebung vom kostenintensiven Notfallbereich zu günstigeren Versorgungsstufen. Ob bald andere Versicherer ein Telefon-Modell einführen, bleibt abzuwarten. Agnes Durrer von der Concordia gibt sich zurückhaltend. Die Auswirkungen der Telefonberatung auf Qualität und Kosten seien noch ungewiss.
--- ENDE Pressemitteilung Alternative Versicherungsmodelle im Aufwind ---
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