Zu diesem Schluss kommt eine Studie zum Thema "Versorgungssicherheit in der ambulanten Medizin im Rahmen der Aufhebung des Vertragszwangs", die santésuisse bei den beiden Tessiner Gesundheitsökonomen Gianfranco Domenighetti und Luca Crivelli in Auftrag gegeben hat. Die Autoren ziehen diese Schlussfolgerung aufgrund einer vergleichenden Analyse verschiedener Indikatoren des Gesundheitswesens wie Leistungen, Kosten und Aktivitäten.
Ende 2000 zählten wir in der Schweiz etwas über 19 Ärztinnen und Ärzte mit Praxistätigkeit pro 10'000 Einwohner, im Kanton Basel-Stadt sogar fast 36, im Kanton Genf 32, in verschiedenen Kantonen der Ost- und der Innerschweiz aber weniger als 13. Die Autoren der Studie stellen jedoch fest, dass die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Leistungen des Gesundheitswesens, die Wahrnehmung von Anzeichen einer Rationierung ebenso wie die Effektivität der medizinischen Versorgung, gemessen an den vermeidbaren Todesfällen, praktisch identisch sind, unabhängig von den -teilweise eklatanten - Differenzen bei der Ärztedichte. Die Ärztedichte hat hingegen einen grossen Einfluss auf die Aktivitäten (Besuche und Konsultationen) sowie auf die Kosten pro Versicherten in der Krankenversicherung.
Um ihre These zu untermauern, vergleichen die Autoren anhand der erwähnten Versorgungsindikatoren eine relativ homogene Ostschweizer Region (St. Gallen und die beiden Appenzell), die im Bezug auf die Patientenwanderung im Gleichgewicht ist, mit den Kantonen Genf und Basel-Stadt, sowie der ganzen Schweiz. Der Vergleich zeigt, dass bei einer Dichte von ca. 15 Ärztinnen und Ärzten je 10'000 Einwohner, wie sie in der Ostschweizer Region besteht, die gewählten Leistungsindikatoren praktisch identisch sind wie im schweizerischen Durchschnitt und wie in Kantonen, die eine doppelt so hohe Ärztedichte aufweisen. Was hingegen die Indikatoren der medizinischen Aktivitäten und insbesondere der ambulanten Kosten pro versicherte Person betrifft, sind die Werte in der gewählten Ostschweizer Region deutlich tiefer. Auch die Ausgaben für die ambulanten Spitalkosten sind in dieser Region bedeutend kleiner.
Eine gleich gute medizinische Versorgung der Bevölkerung und der gleiche Grad der Zufriedenheit kann also auch mit einer vergleichsweise geringen Ärztedichte und damit zu niedrigeren Kosten erreicht werden. Aus der Studie geht zudem hervor, dass in der untersuchten Ostschweizer Region über 70 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung tätig sind, in den Kantonen Basel-Stadt und Genf aber nur gut die Hälfte. Das lässt den Schluss zu, dass eine gute Versorgung auch mit weniger Spezialisten sichergestellt werden kann. Vertragsfreiheit ein Mittel gegen Überversorgung Die Autoren zeigen sich davon überzeugt, dass die Aufhebung des Vertragszwangs und damit die Verstärkung des Wettbewerbs ein wirksames Instrument bildet, um die ständige Zunahme der Leistungserbringer, die in vielen Regionen bereits zu einer Überversorgung geführt hat, in Griff zu bekommen. Sie halten jedoch fest, dass der Markt die Versorgungssicherheit nicht automatisch gewährleistet und daher dem Staat eine regulierende Funktion zukommen muss, um der ganzen Bevölkerung den Zugang zum Gesundheitswesen zu finanziell tragbaren Bedingungen zu garantieren.
In der Studie wird deshalb vorgeschlagen, dass die Kantone im System der Vertragsfreiheit den Bedarf an frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzten festlegen und zwar auf der Basis einer schweizerisch definierten Kennzahl und des schweizerisch definierten Anteils an Grundversorgern. Die Kantone sollen dabei die Kennzahl aufgrund regionaler Gegebenheiten (wie Ein- und Auswanderung von Patienten, Anteil ländlicher und städtischer Gebiete, altersmässige Zusammensetzung der Bevölkerung) modifizieren können. Lebendige Konkurrrenz Die Autoren möchten vermeiden, dass die Aufhebung des Vertragszwangs bloss zu einer Konkurrenz um die Aufnahme in die Verträge wird (competition for the market), die nach Vertragsabschluss nicht mehr in Frage gestellt wird. Sie halten es deshalb für nötig, die Vertragsärzte in regelmässigen zeitlichen Abständen neuer Konkurrenz auszusetzen.
Die Studie schlägt den Krankenversicherern vor, jenen Ärzten, die vorerst keinen Vertrag erhalten haben, eine Chance für die Rückkehr in den Markt zu geben. Zu diesem Zweck wäre – zumindest während einer Übergangszeit – ein zweigeteilter Tarif anzuwenden. Das heisst, Versicherten, die sich bei einem Arzt ohne Vertrag behandeln lassen, würden die Kosten nur teilweise (z. B. zu 70 Prozent) zurückerstattet.
--- ENDE Pressemitteilung Eine gute Versorgung auch mit weniger Ärzten ---
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