"Als ich eines Tages beobachtete, wie sich ein Zuckerwürfel in meinem Tee auflöste, wurde mir die Vergänglichkeit des Daseins bewusst." Mit dieser Erinnerung erklärt Ekaterine Berishvili, weshalb sie sich bereits mit 13 Jahren für Medizin zu interessieren begann. Heute sieht sie in diesem Interesse ein Bedürfnis, dem Tod nahe zu sein, damit sie ihn verstehen und bekämpfen kann. "Auch wenn ich mir dessen nicht bewusst war, wehrte sich in mir etwas gegen die Möglichkeit eines frühen Todes." Nach einer Pause fügt die 51-jährige Forscherin hinzu: "Ich habe immer noch etwas dagegen."
Die aus dem georgischen Tiflis stammende Professorin der Abteilung für Chirurgie an der Universität Genf wählt gern den direkten Weg zum Ziel: "Unser Projekt ist einfach. Wir wollen eine Therapie für eine unheilbare Krankheit entwickeln, die Millionen von Menschen, insbesondere viele Kinder, betrifft: Typ-1-Diabetes." Lösen will sie das Problem, indem sie Zellen und Gewebe züchtet, um kaputte Bauchspeicheldrüsen zu ersetzen.
Lichtblick in der Dunkelheit
Die Züchtung von Zellen und Gewebe erlebt gerade eine explosionsartige Entwicklung. Dass sich Berishvili schon vor einer Weile auf dieses Fachgebiet spezialisierte, hat viel mit äusseren Umständen zu tun. "In den 2000er Jahren war das System in Georgien korrupt, es gab Stromausfälle und kaum Perspektiven und Hoffnung. " Ein Professor der Tbilisi State Medical University, der sich mit Bioengineering zur Behandlung von Lebererkrankungen befasste, bot der jungen Wissenschaftlerin eine Stelle in seinem Labor an. Diese Forschungsarbeit wurde dann zu ihrem "Lichtblick in dieser Dunkelheit" und bot ihr eine Zukunftsperspektive. "Ich hatte nicht gezielt geplant, in die Forschung zu gehen. Aber in der Chirurgie kam ich nicht weiter, weil gewisse männliche Kollegen keine Frauen in ihrem Fachgebiet wollten", erklärt die Forscherin.
Dank ihrer unerschütterlichen Motivation und der Unterstützung ihrer Schwiegermutter, die ihr bei der Betreuung ihres Sohnes half, eroberte sich Berishvili einen Platz in der Welt der Forschung, genauer in der Gewebezüchtung. "Das war eine vielversprechende Nische und zudem ein ganz neues Gebiet, in dem es wenig Konkurrenz gab. Diese Chance wollte ich nutzen." Sie konnte für einen Forschungsaufenthalt nach New York gehen, wohin sie später für ein Postdoc zurückkehrte. Dort liess sie aus Zellen Gewebe für eine Rekonstruktion der Leber wachsen. Als sie 2008 in ihr Heimatland zurückkehrte, musste sie gebrauchte Laborgeräte beschaffen und sich um den Transport der benötigten Materialien nach Georgien kümmern. Es gelang ihr, ein eigenes Labor für die Züchtung von Zellen aufzubauen. Sie spezialisierte sich auf die Bauchspeicheldrüse und Typ-1- Diabetes. Die von ihr entwickelten Methoden bestehen darin, Zellen mit dem richtigen Cocktail aus chemischen Molekülen neu zu programmieren: "Wir steuern ihre Entwicklung so, damit sie die von uns angestrebten spezifischen Fähigkeiten ausbilden". Dadurch entstehen Gewebe oder Organe, die sich transplantieren lassen.
Insulinzellen vor dem Immunsystem schützen
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich das Immunsystem der Betroffenen gegen die Zellen in der Bauchspeicheldrüse richtet, die Insulin produzieren. Sind sie einmal zerstört, versiegt die Insulinproduktion und Körperzellen nehmen keinen Zucker mehr auf. Die daraus resultierende Stoffwechselerkrankung führt zu einem Verlust an Gewicht und Muskelmasse, zur Übersäuerung des Blutes sowie zu Herz-Kreislauf-Beschwerden und Nierenschädigungen. Wer an Typ-1-Diabetes leidet, hat keine andere Wahl, als dem Körper Insulin von aussen zuzuführen. Diese Behandlung bekämpft die Symptome zwar wirksam, ist aber belastend.
"Wirklich heilen kann man die Betroffenen nur, wenn man sie wieder in die Lage versetzt, selber Insulin zu produzieren", erklärt Ekaterine Berishvili. Eine Option ist die Transplantation einer Bauchspeicheldrüse, doch dabei handelt es sich um einen schweren und riskanten Eingriff. Weniger invasiv ist eine gezielte Transplantation der bei Diabetes zerstörten Ansammlungen von Insulinproduzierenden Zellen - den sogenannten Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse. Doch damit genügend Transplantationsmaterial gewonnen werden kann, braucht es bis zu drei Bauchspeicheldrüsen. Und wie nach allen Transplantationen müssen die Betroffenen lebenslang Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems nehmen, um eine Abstossung zu verhindern. "Dabei gibt es drei Hauptprobleme: Wir haben zu wenig Spenderorgane, die Transplantate bleiben nicht immer langfristig funktionsfähig und es besteht das Risiko einer Abstossung."
Berishvili beschreibt präzise und begeistert, wie die Gewebezüchtung diese Hürden aus dem Weg räumt. Bildlich gesprochen baut ihr Team eine Art Häuser aus Zellen. Bausteine sind Haut- und Blutzellen von Diabetespatienten, die umprogrammiert wurden. Diese winzigen Konstrukte ahmen mit einer Kombination aus Blutgefässen und Stützstrukturen die natürliche Umgebung der Bauchspeicheldrüse nach. Als Bewohnerinnen werden darin neue Langerhans-Inseln angesiedelt.
Bestehen diese Inseln jedoch aus umprogrammierten Zellen der Betroffenen selber, erkennt der Körper sie als die Bewohnerinnen, die er zuvor systematisch bekämpft hat. Stammen sie wiederum von Spendern oder wurden sie aus Stammzellen von Spenderinnen erzeugt, dann wird das Immunsystem sie als Eindringlinge wahrnehmen. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass es einen Angriff startet. Die Forschenden verändern daher diese neuen Langerhans-Inseln so, dass sie getarnt sind, und fügen zu ihrem Schutz Moleküle hinzu, die das Immunsystem unterdrücken. Sie verkleiden sozusagen die Bewohnerinnen und schützen das Haus mit grossen Fensterläden.
Nach der Fertigstellung kann die gesamte Struktur - das Haus mit den Schutzläden und die getarnten Bewohnerinnen, die Insulin produzieren - unter die Haut der Erkrankten implantiert werden. An einen sicheren Ort also, der mit einem minimal-invasiven Eingriff erreichbar ist und von dem aus dann das vom Körper benötigte Insulin produziert wird.
Etwas Konkretes bewirken
Heute leitet Berishvili all diese Projekte von der Schweiz aus, wo sie seit 2014 lebt. "Nach Genf führte mich mein Privatleben, genauer gesagt mein zweiter Ehemann. Ich war damals 40 Jahre alt und sprach kein Französisch. In Tiflis liess ich ein gut etabliertes Labor zurück." Die ausgebildete Chirurgin ist stolz, dass es ihr gelungen ist, in der Schweiz ein neues Labor aufzubauen und zahlreiche Finanzierungen zu erhalten, insbesondere vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), vom europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 und von der Stiftung Breakthrough T1D. Sie wollte aber auch ein Standbein in Georgien behalten, weshalb sie mit verschiedenen staatlichen Hochschulen in Verbindung blieb. "Denn wenn alle Erfolgreichen ganz weggehen, wer bleibt dann zurück?"
Von ihrem Bedürfnis, etwas zu bewirken und zu helfen, zeugt auch ihr Engagement in internationalen Vereinigungen wie der European Society for Organ Transplantation. "Es genügt nicht, technologische Ideen zur Lösung von Problemen zu finden", betont sie. Wir brauchen konkrete Anwendungen, von denen die Betroffenen so schnell wie möglich überall auf der Welt profitieren können." Sie ist optimistisch und schätzt, dass die derzeit entwickelten Behandlungen innerhalb von fünf Jahren im Labor ausgereift und innerhalb von zehn Jahren in grossem Massstab verfügbar sein werden.
Neben ihrem Engagement für eine bessere Welt liebt es Berishvili auch, Neues zu sehen und entdecken. So träumt sie davon, nach Papua-Neuguinea zu reisen und mit eigenen Augen Paradiesvögel zu sehen. Ihr Mantra: "Man sollte in der kurzen Zeit, die man lebt, die Schönheit der Welt bewundern und helfen, wo man kann." Eine Philosophie, die als eine Art Life Coaching dienen kann und unter anderem von Albert Camus inspiriert ist, der für sie "die richtige Balance zwischen der Absurdität und der Schönheit des Lebens" fand.
Pressekontakt:
Ekaterine Berishvili
Université de Genève
Faculté de médecine - Département de
chirurgie
Tel.: +41 22 379 51 13
E-Mail:
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